Montag, 20. Mai 2024

Wave Gotik Treffen am Sonntag

Entspannt wachte ich gegen Mittag auf, kochte mir einen Kaffee, schmiss den Laptop an und futterte meinen frischen Thunfischsalat vom Rewe.

Das machte hier übrigens die ganze Wohnmobil-Reihe: Der Nachbar verließ gestern Abend mit eiiiner Fetzenkamera sein Wohnmobil und hockte grad ebenfalls beim Frühstück vor seinem Laptop, guckte seine Bilder an, und ab und zu tippte er was. Bestimmt schrieb er für irgendein Magazin. Oder ein Blogger?

Was war denn mein Plan für den Sonntag? Also erst einmal wollte ich ins heidnische Dorf, denn dort spielten um 15:50 Vanaheim und um 19:20 Primordial. Danach wollte ich in den Felsenkeller und mir dort um 22:20 Tiamat anschaun.

Also radelte ich mal vor zu der Abzweigung, war ja von der Agra aus nicht weit. Die Schlange der Leute war noch viel länger als gestern, ihr Ende reichte bis zur Bornaischen Straße hin, also das war ja der Wahnsinn, da stand man ja mindestens 2 Stunden! In der festen Überzeugung, mit Bändchen einfach so reinzukommen, stiefelte ich vor - und wurde am Eingang glatt abgewiesen : Auch die Leute mit Bändchen müssten sich anstellen. Dass ich dann gestern einfach so durchgelatscht war, hatte vielleicht bloß keiner gemerkt gehabt, allemal standen hier alle an - mit oder ohne Bändchen. Es half auch nichts, dass ich dann ja Vanaheim verpasste und so wie die Schlange ausschaute auch Primordial verpassen würde, obwohl ich ja dafür bezahlt hatte, weil die anderen hier hatten auch alle bezahlt, sie hatten ja ohne Bändchen dann ein Tagesticket und standen dafür auch bloß an.

Also das war ja echt das Letzte! Ich regte mich fürchterlich auf: das Allerletze, Gemeinheit, das kann ja nicht sein, oder was?! Da war ich nun mal echt angefressen, was für eine miese Orga! Ihr könnt mich mal, f*** for heidnisches Dorf!

Ich lief zurück zum Fahrrad und radelte stinkig in die Agra zurück: Was mach ich denn jetzt? In der Agra lief noch kein Konzert, denn die Bands fingen auch erst abends an. Planlos guckte ich mir halt mal die Stände an.

Mensch, wenn ich etwas mehr Muse hätte, dann würde ich echt den ganzen Tag basteln, zum Beispiel Geldbörsen aus alten Reifen und Schläuchen nähen. Noch ein paar Nieten drauf und ein 50-Euro-Preisschild hingepappt und fertig ist die Laube.

Ich musste was machen, sonst würde ich hier vor lauter Frust noch etwas kaufen, also nein, nix wie weg! So entschied ich mich, halt gleich in den Felsenkeller zu fahren, vielleicht lief da ja bis zu Tiamat auch schon was Schönes? Was sollte ich denn schon sonst tun? Also los!

Die Straßenbahnfahrerei war hier in Leipzig auch höchst merkwürdig. Die Haltestellen wurden angesagt von einer glockensüßen Frauenstimme, so übertrieben säuselig, da trieft der Schleim schon bald aus dem Lautsprecher. Zudem war das auch mit Werbung verbunden, zum Beispiel: "Nächste Haltestelle Pfeffinger-Straße, in der Central-Apotheke können Sie sparen" oder "Karl-Liebknecht-Straße, umsteigen zu den Buslinien, Café Puschkin bietet Ihnen bestes Gebäck" Ich hab zuerst gedacht, ich hör wohl nicht recht?

Wenn man von der Agra aus in die Stadt fährt, dann ist wirklich alles vollgesprüht mit Graffiti. Ganz Leipzig ist echt schlimm verschmiert. Wie eine Brandschneise, mit der man das Gelände kontrolliert abbrennt, damit anrollenden Feuersbrünsten der Nährstoff entzogen ist und sie nicht mehr weiter walzen, so scheinen mir hier manche Hauseigentümer die Fassade vorab mit schönen, kunstvollen, professionellen Graffiti bemalt haben zu lassen, weil dadurch doch die Schmierfinken etwas abgeschreckt werden, nochmal etwas drüber zu klatschen.

Ich frage mich auch, wie die an manche Stellen kommen, denn es ist nicht nur das Erdgeschoss beschmiert. Die Graffiti reichen oft bis über den ersten Stock und hier sogar bis ganz zum Dach. Rücken die da nachts mit der 20-Meter-Leiter an, oder lassen sie sich an Seilen an der Fassade runter?

Erstmals sah ich auch beschmierte Autos .

Manche Stellen in den Straßen haben nicht mal mehr einen sauberen Fleck, wo man noch etwas hinschmieren könnte, so vollgeschmiert sind sie.

Wenn Objekte nicht verschmiert sind, dann sind sie wenigstens beklebt. Ich verstehe es nicht: Die Aufkleber haben nicht mal mehr eine Aussage! Bei uns klebt an Verkehrsschildern wenigstens "Fahrraddemo am soundsovielsten" oder "Söder muss weg", also das ist ja noch irgendwie was mit Informationsgehalt, aber was man in Leipzig so sieht, das ist zu 90% echt nur Geschmiere, Müll und Dreck .

Allemal stieg ich aus der 11 aus und guckte nach dem Bus 74, mit dem ich nun weiterfahren sollte. Oh, den hatte ich wohl knapp verpasst, denn es waren noch 23 Minuten, bis der nächste 74er kommt. Da lief ich halt mal bis zur nächsten Haltestelle. Weiter wollte ich nicht laufen, nicht dass ich mich auch noch verirre, und so wartete ich. Es kam ein Bus 60, aber das war der Falsche. Endlich kam dann der 74er-Bus an, vollstens vollgestopft mit Gothics. Der Bus hielt und versuchte, seine Türen zu öffnen, aber die gingen vor lauter Leuten im Bus schon nicht einmal auf. Da sagte der Busfahrer an, dass der Bus zu voll sei und man nicht zusteigen konnte. Die halboffenen Türen gingen ratzfatz wieder zu, und der Bus fuhr einfach weiter. "Was??" Ich platzte bald, das konnte doch nicht wahr sein: "Ich steh jetzt hier seit gut 20 Minuten und nun das?! F*** 74!" Und was jetzt? "Laufen" sagte einer von den anderen stehengelassenen Fahrgästen und lief auch schon los. "Ja, und wohin? Ich kenn mich hier doch nicht aus!" fragte ich in die Luft. Ein Jugendlicher daneben sagte, man könne auch mit dem Bus 60 fahren und dann in die 3 umsteigen. Ja, das hätte ich vorhin schon wissen müssen als der Bus 60 kam. Nein, also heute war nicht mein Tag, sah ich schon .

Ich wartete also auf den nächsten 60er, stieg dann in die 3, wie der Jugendliche gesagt hatte und kam tatsächlich zum Felsenkeller.

Die Ossis sind manchmal echt seltsam, so pingelig korrekt: An diesem Felsenkeller waren nebeneinander zwei Tore und führten in das Foyer (in ein und dasselbe Foyer, nä). Vor den Türen standen Securities, aber grad eben gar keine Besucher, als ich daher kam. "Hier ist nur der Ausgang" hielt mich der Security auf. "Der Eingang ist dort!", und er deutete auf die andere Tür daneben. Ich schaute dumm und ging halt dann rechts rein. War das jetzt echt wichtig? Na, dann wundert mich nix mehr...

Ich ging rein und hörte eine geile Band, Sirenia. Ich hatte von denen noch nie was gehört, aber die gefielen mir gleich richtig gut, und ich hüpfte und moshte meinen ganzen Ärger raus, wunderbar! Danach ging's mir wieder besser.

Ich blieb dann mal in dem Felsenkeller und hörte mir auch die nächste Band an, Keep of Kalessin. Was wollte ich schon sonst machen, kannte ich mich doch nicht aus, hier. Was weiß ich, wo man jetzt hier noch ne Stunde hin kann, bis endlich Tiamat spielte?

Das WGT ist ablauftechnisch irgendwie wie die Blaue Nacht in Nürnberg. Wenn man Eintritt gezahlt hat, gibt es in x Locations im ganzen Stadtgebiet hunderte von Veranstaltungen und überall kann man hin. Man kann aber natürlich nicht gleichzeitig hier und dort sein und als Nichteinheimischer, der die Locations und die Stadt nicht kannte, konnte man auch ganz schlecht planen, welche Tour man nun machen sollte. Beispielstouren wären eine gute Sache: Leipziger, die die Stadt und die Szene gut kennen, könnten doch Touren entwerfen von der Sorte "Tour A: Es macht Sinn, zuerst hier_hin zu gehen und sich Dingsbums anzuhören, danach ist es nicht weit zu dem_da_hier, und man kann hier das_da angucken, danach kann man 3 Haltestellen weiter dies&das sehen und wenn man dann noch 2 Straßen weiter läuft, ist da das Denkmal_soundso, da ist auch gleich ums Eck das Theater_Blablubb und da gibts dann um xx Uhr das Stück Blablabla..." Aber so stand ich da und glotz von Ost nach West, 11, 74, 60, ich kann mich doch gar nicht entscheiden, alles so schön bunt hier!

Da kam dann endlich Tiamat. Die spielten bis Mitternacht, dann war die Vorstellung im Felsenkeller zu Ende, und so sammelten sich draußen an der 74er-Haltestelle dann schnell wieder ganz viele Gothics. Ich stellte fest, dass auch noch andere miese Erfahrungen mit den Bussen gemacht hatten, denn ich hörte so Sprüche wie: "Wir bleiben jetzt alle zusammen, nicht dass du wieder nicht mehr mit rein darfst." Da war wohl auch einer vom Bus einfach draußen stehen gelassen worden, während seine Freunde dann darin weggefahren wurden?

Als der Bus kam, passten wir aber mit etwas Mühe doch alle noch rein. So kam ich dann irgendwann gegen halbeins bei der Agra an. Ich ging dann lieber gleich schlafen, weil morgen würde ich ja abfahren wollen und halbwegs früh aus der Falle steigen müssen.

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