Montag, 20. Mai 2024

Wave Gotik Treffen am Sonntag

Entspannt wachte ich gegen Mittag auf, kochte mir einen Kaffee, schmiss den Laptop an und futterte meinen frischen Thunfischsalat vom Rewe.

Das machte hier übrigens die ganze Wohnmobil-Reihe: Der Nachbar verließ gestern Abend mit eiiiner Fetzenkamera sein Wohnmobil und hockte grad ebenfalls beim Frühstück vor seinem Laptop, guckte seine Bilder an, und ab und zu tippte er was. Bestimmt schrieb er für irgendein Magazin. Oder ein Blogger?

Was war denn mein Plan für den Sonntag? Also erst einmal wollte ich ins heidnische Dorf, denn dort spielten um 15:50 Vanaheim und um 19:20 Primordial. Danach wollte ich in den Felsenkeller und mir dort um 22:20 Tiamat anschaun.

Also radelte ich mal vor zu der Abzweigung, war ja von der Agra aus nicht weit. Die Schlange der Leute war noch viel länger als gestern, ihr Ende reichte bis zur Bornaischen Straße hin, also das war ja der Wahnsinn, da stand man ja mindestens 2 Stunden! In der festen Überzeugung, mit Bändchen einfach so reinzukommen, stiefelte ich vor - und wurde am Eingang glatt abgewiesen : Auch die Leute mit Bändchen müssten sich anstellen. Dass ich dann gestern einfach so durchgelatscht war, hatte vielleicht bloß keiner gemerkt gehabt, allemal standen hier alle an - mit oder ohne Bändchen. Es half auch nichts, dass ich dann ja Vanaheim verpasste und so wie die Schlange ausschaute auch Primordial verpassen würde, obwohl ich ja dafür bezahlt hatte, weil die anderen hier hatten auch alle bezahlt, sie hatten ja ohne Bändchen dann ein Tagesticket und standen dafür auch bloß an.

Also das war ja echt das Letzte! Ich regte mich fürchterlich auf: das Allerletze, Gemeinheit, das kann ja nicht sein, oder was?! Da war ich nun mal echt angefressen, was für eine miese Orga! Ihr könnt mich mal, f*** for heidnisches Dorf!

Ich lief zurück zum Fahrrad und radelte stinkig in die Agra zurück: Was mach ich denn jetzt? In der Agra lief noch kein Konzert, denn die Bands fingen auch erst abends an. Planlos guckte ich mir halt mal die Stände an.

Mensch, wenn ich etwas mehr Muse hätte, dann würde ich echt den ganzen Tag basteln, zum Beispiel Geldbörsen aus alten Reifen und Schläuchen nähen. Noch ein paar Nieten drauf und ein 50-Euro-Preisschild hingepappt und fertig ist die Laube.

Ich musste was machen, sonst würde ich hier vor lauter Frust noch etwas kaufen, also nein, nix wie weg! So entschied ich mich, halt gleich in den Felsenkeller zu fahren, vielleicht lief da ja bis zu Tiamat auch schon was Schönes? Was sollte ich denn schon sonst tun? Also los!

Die Straßenbahnfahrerei war hier in Leipzig auch höchst merkwürdig. Die Haltestellen wurden angesagt von einer glockensüßen Frauenstimme, so übertrieben säuselig, da trieft der Schleim schon bald aus dem Lautsprecher. Zudem war das auch mit Werbung verbunden, zum Beispiel: "Nächste Haltestelle Pfeffinger-Straße, in der Central-Apotheke können Sie sparen" oder "Karl-Liebknecht-Straße, umsteigen zu den Buslinien, Café Puschkin bietet Ihnen bestes Gebäck" Ich hab zuerst gedacht, ich hör wohl nicht recht?

Wenn man von der Agra aus in die Stadt fährt, dann ist wirklich alles vollgesprüht mit Graffiti. Ganz Leipzig ist echt schlimm verschmiert. Wie eine Brandschneise, mit der man das Gelände kontrolliert abbrennt, damit anrollenden Feuersbrünsten der Nährstoff entzogen ist und sie nicht mehr weiter walzen, so scheinen mir hier manche Hauseigentümer die Fassade vorab mit schönen, kunstvollen, professionellen Graffiti bemalt haben zu lassen, weil dadurch doch die Schmierfinken etwas abgeschreckt werden, nochmal etwas drüber zu klatschen.

Ich frage mich auch, wie die an manche Stellen kommen, denn es ist nicht nur das Erdgeschoss beschmiert. Die Graffiti reichen oft bis über den ersten Stock und hier sogar bis ganz zum Dach. Rücken die da nachts mit der 20-Meter-Leiter an, oder lassen sie sich an Seilen an der Fassade runter?

Erstmals sah ich auch beschmierte Autos .

Manche Stellen in den Straßen haben nicht mal mehr einen sauberen Fleck, wo man noch etwas hinschmieren könnte, so vollgeschmiert sind sie.

Wenn Objekte nicht verschmiert sind, dann sind sie wenigstens beklebt. Ich verstehe es nicht: Die Aufkleber haben nicht mal mehr eine Aussage! Bei uns klebt an Verkehrsschildern wenigstens "Fahrraddemo am soundsovielsten" oder "Söder muss weg", also das ist ja noch irgendwie was mit Informationsgehalt, aber was man in Leipzig so sieht, das ist zu 90% echt nur Geschmiere, Müll und Dreck .

Allemal stieg ich aus der 11 aus und guckte nach dem Bus 74, mit dem ich nun weiterfahren sollte. Oh, den hatte ich wohl knapp verpasst, denn es waren noch 23 Minuten, bis der nächste 74er kommt. Da lief ich halt mal bis zur nächsten Haltestelle. Weiter wollte ich nicht laufen, nicht dass ich mich auch noch verirre, und so wartete ich. Es kam ein Bus 60, aber das war der Falsche. Endlich kam dann der 74er-Bus an, vollstens vollgestopft mit Gothics. Der Bus hielt und versuchte, seine Türen zu öffnen, aber die gingen vor lauter Leuten im Bus schon nicht einmal auf. Da sagte der Busfahrer an, dass der Bus zu voll sei und man nicht zusteigen konnte. Die halboffenen Türen gingen ratzfatz wieder zu, und der Bus fuhr einfach weiter. "Was??" Ich platzte bald, das konnte doch nicht wahr sein: "Ich steh jetzt hier seit gut 20 Minuten und nun das?! F*** 74!" Und was jetzt? "Laufen" sagte einer von den anderen stehengelassenen Fahrgästen und lief auch schon los. "Ja, und wohin? Ich kenn mich hier doch nicht aus!" fragte ich in die Luft. Ein Jugendlicher daneben sagte, man könne auch mit dem Bus 60 fahren und dann in die 3 umsteigen. Ja, das hätte ich vorhin schon wissen müssen als der Bus 60 kam. Nein, also heute war nicht mein Tag, sah ich schon .

Ich wartete also auf den nächsten 60er, stieg dann in die 3, wie der Jugendliche gesagt hatte und kam tatsächlich zum Felsenkeller.

Die Ossis sind manchmal echt seltsam, so pingelig korrekt: An diesem Felsenkeller waren nebeneinander zwei Tore und führten in das Foyer (in ein und dasselbe Foyer, nä). Vor den Türen standen Securities, aber grad eben gar keine Besucher, als ich daher kam. "Hier ist nur der Ausgang" hielt mich der Security auf. "Der Eingang ist dort!", und er deutete auf die andere Tür daneben. Ich schaute dumm und ging halt dann rechts rein. War das jetzt echt wichtig? Na, dann wundert mich nix mehr...

Ich ging rein und hörte eine geile Band, Sirenia. Ich hatte von denen noch nie was gehört, aber die gefielen mir gleich richtig gut, und ich hüpfte und moshte meinen ganzen Ärger raus, wunderbar! Danach ging's mir wieder besser.

Ich blieb dann mal in dem Felsenkeller und hörte mir auch die nächste Band an, Keep of Kalessin. Was wollte ich schon sonst machen, kannte ich mich doch nicht aus, hier. Was weiß ich, wo man jetzt hier noch ne Stunde hin kann, bis endlich Tiamat spielte?

Das WGT ist ablauftechnisch irgendwie wie die Blaue Nacht in Nürnberg. Wenn man Eintritt gezahlt hat, gibt es in x Locations im ganzen Stadtgebiet hunderte von Veranstaltungen und überall kann man hin. Man kann aber natürlich nicht gleichzeitig hier und dort sein und als Nichteinheimischer, der die Locations und die Stadt nicht kannte, konnte man auch ganz schlecht planen, welche Tour man nun machen sollte. Beispielstouren wären eine gute Sache: Leipziger, die die Stadt und die Szene gut kennen, könnten doch Touren entwerfen von der Sorte "Tour A: Es macht Sinn, zuerst hier_hin zu gehen und sich Dingsbums anzuhören, danach ist es nicht weit zu dem_da_hier, und man kann hier das_da angucken, danach kann man 3 Haltestellen weiter dies&das sehen und wenn man dann noch 2 Straßen weiter läuft, ist da das Denkmal_soundso, da ist auch gleich ums Eck das Theater_Blablubb und da gibts dann um xx Uhr das Stück Blablabla..." Aber so stand ich da und glotz von Ost nach West, 11, 74, 60, ich kann mich doch gar nicht entscheiden, alles so schön bunt hier!

Da kam dann endlich Tiamat. Die spielten bis Mitternacht, dann war die Vorstellung im Felsenkeller zu Ende, und so sammelten sich draußen an der 74er-Haltestelle dann schnell wieder ganz viele Gothics. Ich stellte fest, dass auch noch andere miese Erfahrungen mit den Bussen gemacht hatten, denn ich hörte so Sprüche wie: "Wir bleiben jetzt alle zusammen, nicht dass du wieder nicht mehr mit rein darfst." Da war wohl auch einer vom Bus einfach draußen stehen gelassen worden, während seine Freunde dann darin weggefahren wurden?

Als der Bus kam, passten wir aber mit etwas Mühe doch alle noch rein. So kam ich dann irgendwann gegen halbeins bei der Agra an. Ich ging dann lieber gleich schlafen, weil morgen würde ich ja abfahren wollen und halbwegs früh aus der Falle steigen müssen.

Sonntag, 19. Mai 2024

Wave Gotik Treffen am Samstag

Am Samstag hatte ich das heidnische Dorf auf dem Plan. Das ist eigentlich nur 500 m weiter vom Agra-Gelände, aber vor lauter Leuten war kaum ein Durchkommen. Als ich dort in die Straße einbog, hatten die Anwohner Tische aufgestellt und verkauften dort Zeug, angefangen bei Getränken bis zu selber gebackenem Kuchen oder auch Second-Hand-Klamotten.

Eine Händlerin verkaufte offensichtlich selbergebastelte Steampunk-Hüte, also billige Faschingszylinder, ein paar Tücher und Fetzen rumgewickelt, etwas verrosteten Schrott drauf geschraubt und dann noch so ein paar Zahnrädchen und Schrauben. Die kenn ich, die gibt's im Bastelshop Idea für 3,99 € das Päckchen (50 Stück drin oder so). Der Hut war aber ganz hübsch, so fragte ich, was er kosten sollte: 160 €! Die Händlerin wollte noch was dazu erklären, aber das wollte ich gar nicht mehr wissen, lachte nur abfällig und ließ sie einfach stehen. Naja, der nächste Depp kauft das ja vielleicht? Ja, und was heißt schon "überteuert"? Man muss ja den riesigen Bastelaufwand dazu rechnen: bei einem Materialpreis von 10 € und einem Stundenlohn von 15 € hat sie ja 10 Stunden dran basteln müssen!

Schon an dieser Stelle sah ich das Ende der Schlange der Leute, die am Eingang anstanden. Das waren ja Hunderte ! Offenbar waren das aber Leute, die alle kein Bändchen hatten - und ich hatte ja eines, also ging ich erst mal vor, um zu gucken, ob ich nicht "so" reinkam. Im Vorbeigehen hörte ich Wortfetzen: "Ob ich's noch aushalt bis drinnen zum Klo?" Tja, blöd, denn vor dem Klo stehen ja auch immer mindestens nochmal 20 Mädels.

Allemal kam ich mit dem Bändchen einfach rein ohne anzustehen.

Ich guckte mir erst mal den Mittelaltermarkt an. Das war schon ein echt uriger Markt, hier schienen nur ausgewählte Händler und Darsteller zu stehen, das hatte schon wirklich Klasse.

Über die Preise dort rede ich aber lieber nicht. Nur eines ist mir noch besonders aufgefallen: Vor einem viktorianisch-steampunkigen Wagen konnte man sich fotografieren lassen und das auf alt getrimmte Papierfoto dann für schlappe 25 € mit nach Hause nehmen .

Da rennt man natürlich nicht schnurstracks durch, schon klar, aber da gibt's so Leute, oft auch Familien mit Kinderwagen und Hund oder ganze Gruppen, und die laufen extrem langsam, also wirklich "spazieren" oder "schlendern" ist dagegen noch ein Wettlauf. Sie schleichen also mit ca. 1,5 km/h im Pulk breit nebeneinander über den ganzen Weg, es ist kein Überholen möglich, denn links kommen einem ja die anderen entgegen. Oft bleiben sie dann auch noch in ganzer Breite stehen und glotzen. Ja, stellt euch halt zum Glotzen dann wenigstens auf die Seite oder hin an den jeweiligen Stand! Das regte mich bald echt auf. Naja, der Markt war halt einfach auch viel zu voll.

Ich war vor allem auch hergekommen, um nun endlich einmal Irdorath zu sehen. Die waren ja schon auf einigen Events angesagt gewesen, konnten aber nicht auftreten, weil zwei ihrer Bandmembers (ich glaub von den Russen? vom Putin? oder irgendwie in der "Kokaine"?) aus politischen Gründen inhaftiert worden waren. Mittlerweile waren sie aber wieder frei gekommen - ganz sicherlich aufgrund der zahlreichen Petitionen und Appelle aus der Szene - und da standen sie nun endlich auf der Bühne.

Irdorath spielten eine Art Folk und man konnte es recht gut hören. Hat mir ganz gut gefallen, ist nun aber nicht "meine Musik".

Das heidnische Dorf mit den Haufen Leuten regte mich bald auf, und genervt schaute ich, dass ich raus kam. Fast gegenüber war ja gleich der Rewe und so kaufte ich ordentlich ein: Salat, frisches Obst, Käse, Wurst, Thunfisch, O-Saft, Wasser, Kaffee und Kaffeemilch.

Ach, so im Naglfar ist es gut auszuhalten. So ganz echt richtig drin wohnen wollte ich jetzt nicht, denn baden oder duschen ist kompliziert und Wäsche waschen geht ja gar nicht. Aber da müsste man dann halt ab und zu einen ordentlichen Campingplatz anfahren, weil dort gibt es ja Waschmaschinen und Trockner. Ihr merkt, ich plane meine rentenbedingte Weltreise!

Der Leichenwagen und sein Kumpel, ein historischer Hanomag, parkten 2 Autos weiter. Die waren auch in der Früh einkaufen gefahren, hatten ihre Motoren angeworfen: was für ein Sound!

Sound, Sound, Sound, denn es stellte sich auch heraus: Im Sarg lag gar keine Leiche, sondern eine Soundanlage! Das ist ein DJ-Pult! Ja, sehr stylisch!

Ich futterte gut und machte mich dann mal auf mit der Straßenbahn zum Felsenkeller. Dort wären Dorsetshire zu sehen gewesen, aber die hatte ich leider verpasst, war zu spät gekommen. Ich sah nur noch den Sänger hinter seinem Merch-Stand sitzen.

Oh mei, ja, das war wieder mein Lieblingsthema: Ich kenn die ganzen Gestalten ja noch vom Ende der 90er Jahre. Ich war schon um die 40, also damals auch schon alt, aber die anderen alle waren auf der Blüte ihrer Jugend und Schönheit. Wie makellos schön waren sie, stolz und edel, eine Augenweide!

Natürlich ging die Zeit auch an ihnen nicht vorbei, und da standen sie nun: Weiber mit einem Arsch, so breit, dass man ein Schifferklavier drin verstecken könnte, fett und aufgedunsen. Korsetts, zugeschnürt bis zum Gehtnichtmehr, aber trotzdem noch vom Umfang einer Öltonne. Die Schnürung klaffte auseinander, die kriegte man schon gar nicht mehr zu, und zwischen den Schnüren sollte man die Fa. Michelin informieren: "Hier könnte Ihre Werbung stehen!"

Witzig find ich dann noch die Männer, die zwei Irokesenkämme auf dem Kopf tragen, weil sich dazwischen halt nun eine Glatze breit gemacht hat. Andere toupieren sich den Haarkranz um die Kahlstelle hoch, kleistern ihn mit Haarlack steif, stopfen in den Hohlraum dazwischen schwarze Watte und kriegen damit doch glatt noch ihr "Vogelnest" hin - auf den Köpfen Vogelnester, um die Hälse schwere Ketten... kaschieren sie die Ruhestätten .

Ja, und ich selber brauch schon gar nix sagen, weil ich bin einfach alt, meine Haut ist welk, ich hab einen Hals wie eine Schildkröte, und sogar die Backen werden nun schon faltig, wie so ein vergessener, verschrumpelter Apfel - mit Puder drüber. Obwohl ich ja peinlich auf mein Gewicht achte und mit meiner Figur - soweit beeinflussbar - sehr zufrieden bin (mein Mieder passt noch!), ist mir aber auch klar, dass das keiner mehr noch wirklich sehen will, und so kam ich mir zuerst fast ein bisschen blöd vor, weil ich eine durchsichtige Bluse trug und drunter nur noch den BH. Dann sah ich aber in der Straßenbahn eine ältere Frau, deren Bluse war noch viel durchsichtiger als meine, aber sie trug gar keinen BH und hatte sich nur die Nippel mit Klebeband abgeklebt. Naja, dann...!

Ein Dom um die 60 stolzierte daher, lederne Militärmütze auf, Nietenband um den Hals, Armeestiefel bis zum Knie. Seinen stylischen Gehstock mit Silberknauf führte er längst aus praktischen Gründen mit sich, denn ohne konnte er wohl nicht mehr laufen, und zu vermuten war, dass er unter der Lackhose Thrombosestrümpfe trug. Fetische verändern sich halt auch mal, ja mei.

Kurzum: Der Begriff "Grufti" steckt in einer echten Identitätskrise.

Es kam zuerst noch die Band "Two Witches", die kannte ich nicht.

Ich ging dann mal rüber nach nebenan in den Supermarkt und kaufte mir dort frisch gepressten O-Saft. Heute wollte ich nämlich mal einen gesunden, alkfreien Tag einlegen.

Danach kamen Umbra et Imago, auch so ein Urgestein von früher. 36 Jahre alt ist die Band, und 1992 hatten sie einen Song aufgenommen, den sie nun spielten... ja, hatte ich schon gehört auf dem Mera Luna 2004, das war doch erst?

Kurz vor Ende verließ ich den Saal. Eine Besucherin war umgekippt, die Sanitäter waren angerückt und untersuchten sie im Foyer. Ich stellte mich an die Haltestelle und wartete auf den Bus 74. Als ich mit der 11er-Straßenbahn in die Agra kam, guckte ich noch in die Disco da unten, vielleicht ein bisschen tanzen? Die Musik war mir aber dann doch zu elektronisch, schade, nur Industrial, das konnte ich ja früher schon von Techno kaum unterscheiden. Ich radelte dann mal nach Hause, war ja eh schon 1:00 Uhr durch.

Ich stellte fest: Nichts hatte ich gekauft, nichts hatte ich gegessen oder getrunken. Ich weiß, so unterstützt man natürlich keine kulturellen Veranstaltungen und trägt zum Szenesterben bei, aber irgendwo hört's halt auch echt mal auf, nä. Bei allem Verständnis für gestiegene Gebühren und Auflagen, aber ich hab doch auch keinen Geldscheißer!

Samstag, 18. Mai 2024

Wave Gotik Treffen am Freitag

Ich stand relativ früh auf, also schon gegen Mittag, weil um 14 Uhr würde in der Agra-Halle der Dr. Benecke einen Vortrag halten über Cannabis, den ich mir anschauen wollte (das wäre was für Ralf gewesen, mei!).

Was macht der gemeine Gothic um diese frühe Tageszeit? Er poliert seinen Leichenwagen !

Auch noch leseunkundige Vorschulkinder sollen gleich begreifen, was passiert, wenn man in den frisch polierten Lack einen Tatscher reinmacht.

Gucken ist erlaubt: Das ist doch echt mal ein hübscher Sarg, da will man doch gleich sterben! Mit dicken Boxen im Laderaum werden hier die Leichen auf ihrem letzten Weg noch mit Musik beschallt. Die fette Matratze auf dem Dach legt allerdings nahe, dass wohl der Fahrer selber im Sarg schläft. Nein, also da schlaf ich lieber in meinem gemütlichen Naglfar .

Da waren also auf meinem Campingplatz ein paar von den Leichenwagen vorgefahren. Die hatten dann glaub ich einen Show-Konvoi zu fahren und sammelten sich hier anscheinend.

Ich radelte mal vor zur Halle. Da stand schon eine ganze Schlange an und ich reihte mich ein. Es war doch eine recht große Halle, und sie wurde fast voll. Ich setzte mich ganz vor in die zweite Reihe.

Ich wollte schon längst den Dr. Benecke mal live hören, aber er ist ja meistens nur im Osten unterwegs, oder der Zug nach Bayern ist mal wieder ausgefallen oder er tritt in Roth auf an einem Tag, wo ich schon was anderes auf dem Plan hab, oder oder oder. Aber jetzt!

Der Vortrag war recht aufschlussreich. Ich bin momentan sowieso in einer Phase, in der ich über mein Leben oder das Leben an sich oder überhaupt so die ganze Welt nachfühle und hatte gerade jetzt auf dieser Reise ein paar ganz seltsame Aha-Effekte (z.B. am Abend auf dem Bahnhofsparkplatz in Gera hinter dieser Bauruine, wo ich campte und immer wieder die Krähen um das Naglfar flogen, das war echt komisch), so auch hier. Da bläg ich immer rum "Satanismus!" und "Sozialdarwinismus!" und bin selber noch in so vielen, dummen Moralgerüsten verfangen. Beispielsweise Politik: Ja, das ist alles nur Korruption und Abzocke, Lug und Betrug, das weiß ich freilich, aber trotzdem hab ich noch so ein gewisses "heiliges" Bild von der Regierung und mach einen Unterschied zu herkömmlichen Verbrecherbanden wie z.B. der Mafia. Warum eigentlich?

Dr. Benecke beschrieb das Thema seit der Prohibition in den 1920er Jahren in Amerika und zeigte anhand derer das Prinzip auf von Verbot + freie Bahn für die OK (organisierte Kriminalität). Mit einem Verbot schafft man eine Sache ja nicht aus der Welt, die meisten Leute machen es halt einfach trotzdem, nur müssen sie sich jetzt ihre Mittel eben auf dem Schwarzmarkt beschaffen, natürlich zu völlig überhöhten Preisen, und das ruft natürlich Dealer und Banden auf den Plan, die damit das große Geld machen - das große Geld, das auch die Ober-Bande, nämlich die Regierung machen könnte . Pfuschen also die Banden, z.B. mit Schießereien, Morden und weiterer Eskalation der Regierung so sehr ins Handwerk, dass der öffentliche Friede langsam gestört wird und die dämlichen Ausreden der Öffentlichrechtlichen nicht mehr greifen, muss halt mal wirklich was passieren, d.h. Legalisierung, weil damit wird den Verbrecher-Clans dann die Grundlage für die Geschäfte entzogen.

Dann wissen wir ja, was es geläutet hat. Man denke nur auch mal an die Schießereien in der Nürnberger Südstadt oder an den seltsamen Unfall letztes Jahr, wo ein Auto ganz aus Versehen, (wahrscheinlich ein technischer Defekt, haha, hatte wohl keinen TÜV mehr, haha) in dieses Straßencafe gefahren ist, und wo man dann ganz schnell nix mehr davon hörte, ganz einfach weil es die richtigen Leute getroffen hat . Immerhin konnte ja ein islamistischer Hintergrund ausgeschlossen werden, ist das nicht klasse?

Wir hörten im Vortrag etwas über Columbien und Südamerika, woher die ganzen Drogen stammen - und dann auch einen Satz über Trump, der einfach nicht möchte, dass die ganzen Mexis und Venezuelaner (mit ihrem brisanten Gepäck) rüber nach Amerika kommen. Ja, warum denn nicht? Tatsächlich, weil er so ein fürchterlicher Rassist ist? Hier sehen wir doch den wahren Grund!

Es geht nicht um Hautfarbe, Augenfarbe oder schwarze Haare - es geht um den Import einer Mist-Kultur und um die Immigration von derlei derben Unsitten, die wir hier nicht haben wollen!

Und dann habe ich begriffen: Es ist einfach die (darwinistische) Natur! Die normalen Leute sind mittlerweile so unter Druck, ihre Lebensgrundlage zu erhalten, dass immer mehr zu Drogen greifen, um da überhaupt noch mitzuhalten, um ihre Arbeit und ihren Alltag zu schaffen. Messungen in den Kläranlagen der Städte ergeben immer höhere Werte an Rückständen von einschlägigen Medikamenten und Substanzen. Das ist schlimm, aber eben eine ganz natürliche Entwicklung, weltweit.

Ganz natürlich ist auch, dass die OK in dieses blühende Geschäft einsteigt und es natürlich auch fördert und die Politiker dazu bewegt: Sozialleistungen runter, mehr Stress für die Leute, damit diese zu Alkohol und Drogen greifen. Die andere Verbrecherbande - also die Regierung - wehrt sich nun, indem die Drogen einfach legal und frei erhältlich werden. Aber natürlich nicht, um die Bürger zu schützen, sondern nur, weil dann das große Geschäft eben die Regierung macht . *Groschen gefallen, bumm*

Naja, und dann sponsert der eine Clan die Grünen und der andere Clan die CSU und irgendwelche weiteren Bonzen die AfD und eigentlich ist es nur ein Bandenkrieg, inkl. der ganzen Hetze von links und von rechts. Gibt's denn eigentlich auch noch irgendwo echten Idealismus in diesem Spiel? Vielleicht.

Nachdenklich ging ich aus dem Vortrag.

Als Nächstes wollte ich shoppen gehen. Ich wollte ein Shirt oder eine Bluse, ich wollte Schuhe und vielleicht eine coole Hose und so lief ich dann mal in die Shopping-Halle. Diese erschien mir schon letztes Jahr sehr, sehr ausgedünnt. Ich habe da noch gut die Zustände vor 20 Jahren in Erinnerung. Damals waren es zwei Hallen voller Stände und Buden. Mittlerweile kriegen sie nicht mal mehr eine Halle voll. Hinten war sehr viel Leerraum, zudem waren die Wege zwischen den Ständen sehr breit. Wieviele Stände waren es? Ratzfatz war man jedenfalls durch.

Da haben wir nun auch wieder einen ganz natürlichen Effekt: Hohe Kosten und Auflagen zwingen die Hallenbetreiber zu höheren Stellmieten - nur noch wenige Händler können oder wollen sich das leisten - die wenigen Händler schlagen das natürlich auf ihre Preise um - die Ware, immer öfters "made in China", ist sichtlich immer lumpiger, dafür aber schweineteuer.
Sorry, aber so eine Bluse krieg ich auch bei uns ums Eck am Hongkong-Store für 5,99 € - und lasse sie auch dort, das kauf ich nicht, nicht mal für 5,99 €, weil es schaut billig und lumpig aus. Hier auf dem WGT kostete sowas natürlich noch das Zehnfache vom Hongkong-Store. Dann gibt's ja auch noch das Internet, wo man die Sachen auch gleich direkt aus China bestellen kann, was inkl. Versand nochmal ums Dreifache billiger ist. Dann kann man sich ausrechnen, was die Hersteller verdienen und dann wissen wir auch, warum die dann lieber Drogen vertickern.

Dummes Spiel.
Was macht man denn da?
Ganz einfach: NIX KAUFEN.

Als ich (ohne was gekauft zu haben) aus der Shoppinghalle kam, stand dort ein Filmteam und machten ein Interview mit Dr. Benecke.

Ich radelte dann mal zum Naglfar zurück und machte eine Pause. Gestern hatte ich lecker Lebensmittel vorne im Rewe gekauft: Wurst, Buletten, Käse, O-Saft. Ich bin schon länger dazu über gegangen, auf Festivals mein eigenes Essen mitzubringen, statt das Zeug von den Ständen zu fressen. Es ist nicht nur billiger, sondern auf jeden Fall auch gesünder und vor allem schmeckt es besser! Das Essen vieler Fressbuden an Festivals ist mittlerweile so grottenschlecht geworden, die Portionen immer kleiner, das Frittierfett immer älter, das Verhältnis zw. Beilage und Substanz immer unausgewogener und oft ist es nicht mal richtig durch, angebrannt oder schon kalt - kurzum, ich seh es nimmer ein, bin besser bedient mit einem Päckchen Käse und nem Stück Brot vom Supermarkt.

Dann zog ich mich um und radelte vor zur Straßenbahn. Mit der 11er fuhr ich bis zum Bahnhof. Tja, aus ist's mit Kleinstadt Gera: Leipzig ist x mal so groß, man fährt und fährt und fährt. Am Hauptbahnhof stieg ich in den Bus 72 und fuhr damit noch weitere 16 (!) Haltestellen bis zu meinem Ziel, dem Hellraiser-Club. Was für eine geile Location *schockverliebt*!

Also wenn ich nicht mit Nürnberg schier untrennlich verwurzelt wäre, dann würde ich hier her ziehen nach Leipzig, was für eine tolle Stadt und eine tolle Szene! Allerdings hat die Szene auch gescheit gelitten, denn ich meine auch, noch letztes Jahr viel mehr Gothics in der Stadt gesehen zu haben. Sie waren auch nicht mehr sooo toll gestylt und noch letztes Jahr waren viel krassere Gestalten unterwegs, find ich.

Naja, hier das Hellraiser war ja auch ein Metal-Laden, da waren natürlich mehr die Kuttenträger unterwegs statt die Schwarzkittel.

Warum bin ich hier her? Ja, ich war doch am Dark Troll Festival nach Finsterforst gegangen und hatte dann aus dem Bett noch den Headliner gehört, Wolves in the throne room, und festgestellt, dass ich da echt was verpasst hatte. Ironie des Schicksals: Wolves in the throne room traten jetzt hier in dem Hellraiser auf - und ich war dabei!

Da war ich nun wieder in meinem Element, und gleich waren auch ein paar Leute da, die ich kannte . "Dich sieht man aber auch überall!" stellte einer fest. "Ja, ich nehm halt mit, was geht", sagte ich: "Stell dir nur mal vor, ich würde morgen tot umfallen und wäre heute nicht hier gewesen!" .

Der Club hatte einen netten Biergarten, war gut voll, da war's schön und ich gab mir das ganze Konzi.

Da haben wir nun endlich den Headliner, Wolves in the throne room. Jetzt hab ich die auch gesehen. Da hatte die arme Seele nun endlich ihre Ruh' .

Das Konzi ging bis fast um 1 Uhr früh, und so schlappte ich dann recht erledigt aus dem Club. Ah, da steht ja schon mein Taxi! So fühlte ich mich jedenfalls .

Nein, ich fuhr natürlich mit dem Bus. Bis der kam, war die ganze Haltestelle schwarz vor Gothics. Der Busfahrer kriegte wohl einen halben Schock als er anfuhr und diese ganzen Leute sah. Der Bus wurde dann auch so voll, dass einige wieder aussteigen mussten, weil er überladen war . Da fuhr ich also die 16 Haltestellen zurück bis zum Bahnhof und dort noch weiter mit der 11 bis zum Agra-Gelände. Dort war noch Party, aber ich radelte dann mal lieber mit dem Fahrrad nach Hause zum Naglfar. Ich war rundum zufrieden und schlief sofort ein.