Wolfszeit am Donnerstag

Die Nacht war stürmisch. Der Wind wehte gegen das Naglfar und schaukelte es leicht. Das Naglfar knackste. Das tut es immer, wenn die Temperatur fällt; dann ziehen sich irgendwelche Teile zusammen, und ab und zu knackst es dann. Es wurde recht kühl, nur noch 7 Grad in der Nacht. Ich schlief die erste Nacht dieses Jahr im Schlafsack, der ist wärmer. Aber ich war ja schon froh, wenn es nur nicht regnete .

Gegen 10 hörte ich im Halbschlaf Stimmen vor dem Auto und die Plane raschelte, die ich neben das Naglfar ausgebreitet hatte, um einen Parkplatz zu besetzen. Torsten war gekommen - mit Töchtern, Lovern und Ex-Lovern! Da krabbelte ich raus, die Freunde begrüßen. Schon gleich hatten die natürlich Bierdosen aufgemacht, los ging das Gelage!

Harry hatte einen tollen Platz für uns ausgesucht, er war ja der Erste, der da war: Ach ja, die Rentner! Wart mal ab, übernächstes Jahr bin ich die Erste, ich komm dann schon 2 Wochen vorher . Allein die Gegend war das ja schon wert. Die Sonne schien und im Lauf des Tages wurde es dann auch nochmal richtig Sommer, sodass ich noch einmal kurze Hosen anzog.

Gegenüber von uns campte ein alter Hippie mit seinem Hund. Also guckt, ihr alten Männer: Wenn ihr einsam seid und junge, hübsche Mädels um euch scharen wollt, dann legt euch so einen Hund zu, der sich sofort auf den Rücken schmeißt und seinen Bauch zum Kraulen präsentiert. Der Hund kam gut auf seine Kosten und wedelte glücklich mit dem Schwanz .

Ich frühstückte erst mal und häkelte chillig vor mich hin, und weil wir in der ersten Reihe standen, kam die Musik der ersten Bands ja wunderschön bei mir an, während Torsten und Co schon gleich das Infield enterten. Ab 17 Uhr spielten unten Panzerfaust, und da ging ich dann auch mal hin.

Sieh an, diesmal waren auch richtig ein paar Stände da, sogar der Golansky! Der hat doch immer auch den letzten Kitsch, vielleicht gab's dort Enten? Mittlerweile hatte ich mich schlau gemacht: Die Dinger heißen "Komplimente-Ente". Was für ein fürchterlicher Name, das kriegt ja kein Besoffener mehr über die Lippen, da vergatz ich mich ja schon nüchtern! Der Golansky hatte alle Sorten von Enten: Bade-Enten, Quietsch-Enten, Plüsch-Enten, aber Komplimente-Enten hatte er nicht .

Er hat sogar Enten-Automaten, da kann man sich für 2 € eine Überraschungs-Ente in einer Kugel ziehen. Ich zog zwei Kugeln. Die eine war eine kleine grüne Bade-Ente, die andere eine Schlüsselanhänger-Ente mit Beleuchtung drin. Was mach ich jetzt aber mit den Kugeln? Na, ich ging mal vor zur Bar. Große Frage: Wer stand an der Bar? Na, Torsten und die Lovers . Super Ziele, haha, ich warf die Kugel nach Torsten, verfehlte ihn aber. Die Kugel flog an ihm vorbei, hinter die Theke und landete dort mitten in den Limetten . Haha, Volltreffer! Alle lachten.

Dann kamen Asenblut. Ich hatte mein Asenblut-Shirt diesmal nicht vergessen und stand damit ganz vorn.

Asenblut waren geil, haben mir gefallen und ich ruderte sogar mit. Die Ruderer wurden natürlich heftig fotografiert. Na, wenn ich daheim bin, werde ich mal alle einschlägigen Quellen durchforsten nach den Fotos.

Die Sonne ging jetzt unter hinter dem heidnischen Dorf. Was für eine schöne Stimmung!

Das Wolfszeit wird von Mal zu Mal besser, was für ein schönes Festival! Guckt mal, was es sogar echt Truees zu essen gab , voll das Viking-Menü: Surt, Allvater, Himinhrjod, Heidrun... aber wer von den Asen ist bitt'schön "Siff" von "Siff-Veggie" ? Oder meinen die da versiffte Veggie-Pampe? Haha, nein, normalerweise habe ich ja keinesfalls was gegen Vegetarisches oder Veganes, der übertriebene Hype geht mir mittlerweile nur ordentlich auf die Nerven und drum gebe ich gern zu allerlei Veggie-Zeug meinen bösen, carnivoren Senf ab .

Am Ausschank stand unser Wacken-Superstar, der Greimi. Leider hat er hier nun 3 Tage lang Dienst und kann gar nicht feiern, schade.

Jetzt sammelten sich die Leute langsam vor der Bühne für das Eröffnungsblot. Das war wieder gar nix für den Torsten und er meckerte schon vor dem Event, dass ihn das letztes Jahr schon so genervt hat, die Stimme von der Sängerin, das ganze Räucherzeug. "Ja mei, dann geh halt kacken!" riet ich ihm, "mir gefällt das Ritual und ich freu mich drauf."

Die Sonne stand nun am Horizont, was für eine schöne Stimmung. Die Wölfe hatten sich am Platz versammelt.

Die Krieger aus dem heidnischen Dorf hatten sich aufgestellt, und Varg standen auf der Akustik-Bühne. Vönix und die Runenhex hatten ihren Tisch im Hintergrund aufgebaut und die ganzen Ritualgegenstände bereit gelegt.

"Horch dir nur das Gedudel an!" meckerte der Torsten an meiner Seite. Ich gab einfach nix drauf, ich sang dann streckenweise sogar mit, während der Torsten mich nun an-moshte und umeinanderrempelte, anscheinend einfach nur um zu stören, weil es ihm nicht gefiel. Alle Ignoranz half nix, der hörte nicht auf. Soll er sich doch einfach an die Bar stellen und saufen oder sonst was?! Also mir gefiel das Ritual, ich hatte mich drauf gefreut und ich wollte mich auch voll drauf einlassen, das hatte mir schon die letzten Jahre echt was gegeben. Wenn der Torsten jetzt nicht gleich aufhörte mit seinem Gerempel, Gemecker und Gestöre, dann knall ich ihm eine! Tatsächlich umarmte er mich von hinten und schubste moshmäßig an mir rum, da platzte mir der Kragen, ich zog den Ellenbogen an und rammte ihn ihm in den Bauch. "Das kotzt mich voll an!" zischte ich wütend nach hinten.
Da war a Ruh'. Ich drehte mich nicht einmal mehr um, um zu gucken, aber ich glaub, er war gegangen. Wieder mal beleidigt, was? Diesmal tat es mir aber nicht Leid, eher das Gegenteil.

Ich strich den Vorfall aus meinen Gedanken und wandte mich wieder dem Ritual zu.

Nun gingen die Wölfe an die Feuerschale und warfen ihre "Opfer" für die Ahnen und Naturgeister rein, diese kleinen Baumscheiben mit dem Varg-Branding, die jeder mit seinem Ticket gekriegt hatte. Ich warf meins mitten ins Feuer, es landete auf einem brennenden Holzscheit. Aber es fing kein Feuer! Der Holzscheit unter ihm brannte lichterloh, aber mein Opfer nicht . Die anderen warfen ihre Opfer auch in die Schale, und dann traf eins der anderen Opfer mein Opfer und schleuderte es vom Holzscheit runter in die Schale, wo gar kein Feuer mehr brannte . Mein Opfer sollte also nicht brennen, hatte ich schon verstanden, ihr Geister . Ich ging.

Naja, sie hatten das ja angekündigt. Wir verstanden uns einfach nicht. Seitens dieser Geister kam nach einer Weile auch wieder nur Gedöns mit Liebe, Gekuschel und Zwischenmenschlichkeit. Mei, ich kann da einfach nicht drauf, da fehlt mir der Draht, diese Anmache saugt mir jeglichen Bock raus, langweilt mich, nervt und ärgert mich letztendlich. Ja, ich weiß auch nicht, was man sonst Spirituelles mit solchen Geistern anfangen sollte. Ich hatte mich drauf eingelassen und erwartet, dass da dann auch irgendwas kommt, aber eben bitte irgendwas "Gescheites" und nicht nur wieder dieses Sozialgedöns.
Was ich denn sonst erwarte, was ich denn sonst wollte? Ja, weiß ich doch nicht, halt was "Gescheites"! Mei, ich weiß doch nicht, was kommen soll, wenn ich in irgendein Event oder einen "Raum" gehe; ich gehe halt mal hin und schaue, was geboten wird, um aus dem Angebot das Meine aufzugreifen und dann nach meinem Sinn auszugestalten. Wenn das aber wieder nur Gedöns, Gekuschel und Geliebel ist (ich hasse es!), also in meinem Sinn nur Leere, dann müssen wir uns trennen. Das hatten wir schon vor kurzer Zeit festgestellt, am letzten Abend auf dem Stella Nomine dann noch einmal auf den Punkt gebracht und nun also vollzogen .

Spirituell bin ich also wieder obdachlos und suche dann mal weiter nach einer Heimat. Ich hoffe, die Nächste ist dann mal endlich was, wo ich mich verwirklichen kann, einen Sinn finde, eine Bedeutung, wo ich irgendwas dazu beitragen kann, wo ich in einer Weise "Punkte" sammeln kann, auf die ich mich bei Bedarf dann beziehen kann - so wie z.B. die Christen, die sich im dunklen Wald nicht so sehr fürchten, weil sie heute schon dreimal gebetet haben, oder noch besser viermal . Prima Prinzip - wenn man das glauben kann und es inhaltlich nicht so doof wär .

Gut, vielleicht sollte ich es halt einfach dann ganz lassen.
Oder geh ich dann später mal runter ins heidnische Dorf und frage den Vönix?

Zuerst hörte ich mir noch Harakiri for the sky an. Der Torsten war nicht da. Harakiri gefallen ihm nämlich nicht. Mir aber schon. Dann bleibst halt, wo der Pfeffer wächst, und ich hock mich her und höre mir Harakiri for the sky an.

Da schaltete ich meine LED-Ente an, die ich an meine Kutte gehängt hatte.

Es wäre danach noch Afsky gekommen, aber ich war müde und ging schlafen.