Sonntag, 20. Juli 2014

Whisky und Gespenster

Sollte ich eine Motorrad-Tour machen? Wo wollte ich denn hin fahren, vielleicht an einen See? Na eigentlich wollte ich ja heute auf die Burg rauf, denn es ist heute Burgfest und wie mir der Museumswächter letzte Woche in der Burgkapelle erklärte, ist der Eintritt in der Burg frei und man kann die ganze Burg besichtigen, sogar den unteren Teil der Kapelle, der sonst gesperrt ist.

Wenn ich also keine Motorrad-Tour mache, dann kann ich auch gleich die Renate besuchen, dachte ich. Die Renate ist nämlich momentan krank und kann nicht laufen. Sie hat Arthrose und ganz plötzlich hat sich das so derart entzündet, dass sie ihr nun schon ein künstliches Gelenk einoperieren wollen. Aber vorerst kriegt sie erst noch so Spritzen, die die Gelenkflüssigkeit unterstützen, so dass sich die Entzündung vielleicht wieder beruhigt. Allemal kann Renate nicht zu mir zum Kaffeeklatsch kommen, also kam ich halt zu ihr. Ich radelte zum Beck in die Wotanstraße. Kurz drauf traf auch die Renate ein: mit Krücken! Oh, das ist ja mal beschissen! In 3 Wochen ist nämlich das Pyraser Classic Rock, wir haben unsere Tickets schon seit Januar und Renate kann jetzt nicht laufen! Ich werde nächste Woche bei dem Sanitätshaus am Plärrer mal fragen, ob man nicht einfach einen Rollstuhl mieten kann? Dann schieb ich die Renate einfach zum Pyraser, aus, fertig .

Der Beck in der Wotanstraße machte um vier Uhr zu und ich begleitete Renate noch im Schneckentempo nach Hause.

Was mach ich denn jetzt? Soll ich echt auf die Burg rauf? Ach, ich radelte erst mal an die Wö runter (Wöhrder Wiese), in den Biergarten, guckte bissel auf Facebook, chillte ein bisschen umeinander.

Danach spazierte ich dann doch in den Burggraben zu "Satan-Ahrimans Mauereck". Mein Kerzchen von gestern war ganz runter gebrannt und so zündete ich ein neues Kerzchen an. Nebenan an den Bauzaun sperrte ich mein Fahrrad. In besonders spiritueller Stimmung war ich nicht, also latschte ich gleich mal weiter in die Stadt. Das Fahrrad ließ ich im Burggraben stehen, denn später war ich fürs "Whisky-Tasting mit Geistertour" angemeldet und dieses Event sollte an der Burg oben enden. Dann konnte ich gleich runter in den Graben hupfen und mit dem Fahrrad davon radeln.

Also ging ich mal in die Stadt. Da war mal zum einen die "technische Meile" aufgebaut und es standen lauter komische Maschinen, Solaranlagen und Autos rum, und zum anderen standen ein paar Russen vor der Lorenzkirche und demonstrierten gegen Putin.

Eine Menge Leute liefen da rum, die hatten alle so ein weiß-blaues Namensschildchen am Hemd pappen. Ich dachte ja zuerst, das sei vielleicht ne Reisegruppe oder irgendwelche Business-Leute, aber dann quatschte mich auf einmal so ne Frau an, die so ein Schildchen anhängen hatte und wollte mir einen Flyer geben: Boah, das waren Christen!!!

"Nein danke" sagte ich und als sie anfing labern zu wollen: "Ich habe dazu keinen Diskussionsbedarf."
"Ich möchte Ihnen nur meinen Standpunkt erklären." sagte sie.
"Ihr Standpunkt interessiert mich nicht." antwortete ich.
Das wollte sie wohl nicht hören: "Wie bitte?" fragte sie.
"Ich sagte, ich will Ihren Standpunkt nicht wissen." sagte ich 1 Stufe lauter.

Da trollte sie sich schließlich. Später erfuhr ich dann, dass all diese Leute mit weiß-blauem Schildchen Zeugen Jehovas waren, denn diese hatte in der Messegelände draußen irgendeine Großversammlung. Mann, da hab ich ja weder voll das Spacken-Event verpasst!

Ich ging noch ein Stündchen shoppen und gucken, denn um 20:45 Uhr trafen sich die Whisky-Freunde vor der Lorenzkirche zur "Geistertour".

Da kam auch schon Dirk daher! Folgendes Zeug hatte er im Gepäck:

  • Balmenach 1979 rebottled by The Maltman 43%
  • Glenfarclas 1970-2008 Bourbon Cask Simon Brown 46%
  • Highland Park 1967 42y Sherry Cask 6282 John Scott 50,3%
  • Longmorn 17y Dark Sherry Cask The Ultimate 57,5%
  • Caol Ila 12y Sherry Cask Gordon & MacPhail for Asta Morris 50%
  • Ardbeg SMWS 11y 33.115 Sherry Cask 55,4%

Er packte mal gleich die erste Flasche aus, stellte sie auf den LKW, der hier gerade vor gefahren war, um die Zelte der "technischen Meile" aufzuladen und begann, den 1. Whisky auszuschenken.

Ein Glas musste man sich selber mitbringen. Das war recht lustig, denn jeder hatte andere Gläser dabei. Meins war von Talisker, die anderen hatten Ardbeg-Gläser, einer hatte eins von der Whisky-Messe, manche hatte nur blanko-Gläser ohne was drauf. Dafür hatte ich das schönste Gläser-Halsband, denn ich hab eins von Signature Malts, ganz exklusiv ! An dem Halsband ist eine Gummischlaufe und da hängt das Glas dann dran, dass man seinen Whisky um den Hals mit sich rum tragen kann - voll versoffen .

So machten wir die erste Station neben der Lorenzkirche beim kleinen Brunnen, an dem der "Teufel und der Schusserbub" dargestellt sind, außerdem der Zerberus und weitere höllische Verwandtschaft. Der Whisky-Freund Kurt, der auch letztes Jahr schon die Stadtführung gemacht hatte, referierte und erzählte zu jedem Standort diverse Geistergeschichten und Legenden. Die entsprechenden Geschichten findet ihr auch großteils auf meiner Homepage.

Am Schuldturm gab es den nächsten Whisky. Dirk stellte fest, dass er die falsche Flasche eingepackt hatte. Statt des Glenfarclas' gab es nun dieses feine Stöffchen. Ja mei, ja DAS war ja ein phänomenales Gesöff! Wow, das schmeckte mir aber mal richtig gut! Was war das?? Muss ich gleich mal auf eBay gucken...!

Wir hörten die Geschichten von der Spital-Köchin Gustl, die eine Hexe war, oder von der Kunigunde von Orlamünde und dann auch die Geschichte vom Nuss-Kaspar. Der Teufel hatte ihm geheißen, vom Nussbaum Nüsse zu pflücken und als er die eingesackt hatte, wurden sie zu purem Gold. Weil er dann aber verbotenerweise davon seiner Frau erzählte, rückverwandelten sich die Goldstücke wieder in Nüsse.

Wir hörten auch die Geschichte von der "blauen Agnes": Der Feuer-Wart auf dem Burgturm oben, der stets über Nürnberg guckte und jedesmal ein Horn blies, wenn er wo ein Feuer auflodern sah, hatte das Mädchen als kleines Kind gefunden und aufgezogen. Für ihre Rettung war die Agnes so dankbar, dass sie nach dem Tod des Feuer-Warts verschwand und als Geist zu Nürnbergs Feuer-Schutzpatronin wurde. Man erzählt sich, dass 1945 in Nürnberg bereits alle Sirenen zerstört gewesen waren. Aber plötzlich ertönte von der Burg oben über die ganze Altstadt ein lautes Horn und die Leute rannten in die Bunker. 10 Minuten später kamen die Bomberflieger angeflogen und legten die Stadt gar in Schutt und Asche. Es gab aber ganz wenig Tote, denn die Leute hatten sich noch rechtzeitig in die Bunker retten können: Der Geist von der blauen Agnes hatte von der Burg aus das Feuerhorn geblasen.

Die Vorstellung war mit dieser Geschichte beendet und Dirk und Kurt luden die restlichen Leute noch ins Irish Castle ein, da sei für uns ein Tisch reserviert. Ach, ich wollte da eigentlich nicht mit, weil ich hatte im Burggraben mein Fahrrad und eigentlich wollt ich mich ja jetzt noch da unten mit Satan-Ahriman unterhalten und meine private Mitternachtsmesse dort halten.

Eine Frage hatte ich aber noch an den Kurt, nämlich bezüglich der Säule in der Burgkapelle, ob er dazu noch etwas zu erzählen wüsste, was ich noch nicht weiß. Da guckte der Kurt recht nachdenklich und meinte, man wüsst nicht, was daran Wahres sei... Klar klar, das mit dem Teufel ist eine Fabel, aber er (der Kurt) wüsste, dass in der oberen Burgkapelle nur der obere Teil der Säulen zu sehen sei. In der unteren Kapellenhalle gingen die Säulen nämlich noch weiter, außerdem stünden dort noch viel mehr Säulen. Diese Säulen seien mit Zeichen verziert und beschnitzt, die klar aus nichtchristlicher bzw. vorchristlicher Zeit stammen. Er wüsste nicht, was die Zeichen bedeuten und welcher Art sie seien, er vermutet sie als keltisch.

Vor 7 Jahren hätte er sie mal sehen dürfen, denn der untere Teil der Kapelle sei gesperrt und nicht für die Besichtigung frei gegeben. Die Treppe hinunter sei über die Jahrhunderte nämlich derartig ausgetreten, dass dort aus Sicherheitsgründen keine Besucher hin dürfen, damit nix passiert.

"Du weißt aber schon, Kurt" sagte ich, "dass ausgerechnet HEUTE das Burgfest ist bzw. war und die ganze Burg zur Besichtigung offen war, auch die untere Kapelle!" Kurt ärgerte sich gescheit, als er das hörte - und ICH erst: Der Museumswächter letzte Woche hatte mir das extra gesagt und mich eingeladen! ...und Satan-Ahriman erzählte mir noch gestern, dort, wo heute die Burg steht, sei früher "sein Platz" gewesen! ...und ich Arsch gammel heut dumm in der Stadt rum, statt dort hin zu gehen!! Oh mei, ich rast aus!

Da klemm ich mich jetzt aber mal dahinter, Leuz! Zuerst gab ich mal dem Kurt meine Visitenkarte und erwarte nun von ihm per Mail die ganzen "Geister"-Geschichten und Texte, die er mir versprochen hat. Den löchere ich jetzt mal, dass nix mehr von ihm übrig bleibt und außerdem guck ich jetzt mal zu, wie ich in die untere Burgkapelle komme. Das ist ja auch höchstens eine Frage des Preises, oder?

2 Kommentare:

yerlik@gmx.de hat gesagt…

Falls Du die Mail von Kurt nichts bekommens solltest guckst Du hier:
http://www.spielleuteundlandsknechte.de/sagen/franken1.htm
Dort findest D,u so wie es aussieht, im Prinzip den kompletten Inhalt des Buches von Franz Bauer "Alt-Nürnberg: Sagen, Geschichten und Legenden".
Das hatte ich mir Ende der 70'ger sicherlich vier bis fünf Mal in der Stadtbücherei ausgeliehen. Ich war ganz begeistert davon ...

RAFA hat gesagt…

oh, SEHR hübsch, danke! :D