Sonntag, 21. Dezember 2025

die dunkle Seite von Würzburg: die schwarze Madonna

Was sollte ich denn den ganzen Samstag über machen, wenn ich am Freitag schon shoppen war? Was gibt es denn sonst so in Würzburg? Ich googelte: "Würzburg Gothic" – aber da warf es nichts aus, "Würzburg Metal" (das gibt meist blöde Ergebnisse wie Huber & Müller Metallveredelung oder Meier Schrotthändler, etc.), "Würzburg Gruseliges", "Würzburg Spukhäuser", aber dann fiel mir ein: "Würzburg schwarze Madonna" (wie bin ich denn da drauf gekommen? Ich weiß auch nicht...) – und tatsächlich kam ein Ergebnis . Was? Die haben da in Würzburg eine schwarze Madonna? Wo ist sie? Ich googelte weiter: Die Dame steht mit ihrem Horuskind in der Kaepelle Mariae Heimsuchung, 2 km vom Wohnmobilstellplatz entfernt. Toller Ausflug, ich werde euch heimsuchen!

Also latschte ich so um Mittag rum mal los vom WoMo-Stellplatz entlang des Mainufers. Die Sonne schien, es war recht mild und ich latschte und latschte. Endlich war ich am Fuß des Berges, wo oben die Kaepelle stand. Warum das "Kaepelle" heißt und nicht "Kapelle", weiß ich nicht.

Ich lief also den Berg hinauf und kam an dieser Abbildung eines wüsten Gelages vorbei: Oben bietet ein geflügelter Kellner einem Gast noch ein Bier an, unten hängen sie schon besoffen und müde in den Seilen und einen hat es sogar schon ganz umgewedelt, der schläft bereits seinen Rausch aus .

Ach so, das heißt nicht "Kaepelle", sondern "Käppele". Warum, weiß ich ebenso wenig .

Oh nein, und das ist jetzt der Weg, den es rauf geht? Wie gut, dass ich nicht mit dem Fahrrad gefahren war und mir auch kein voi genommen hatte, wie ich es schon erwogen hatte.

Die Treppen führten steil nach oben und ich stieg Stufe um Stufe. Ich tröstete mich damit, dass nicht nur Tausende diesen Weg schon vor mir hinaufsteigen mussten, sondern es ja auch irgendwelche armen Hunde haben bauen müssen. Die mussten die Treppen auch noch schwer mit Steinen beladen hochsteigen.

Oben gab es dann aber einen wunderschönen Ausblick über ganz Würzburg.

Endlich stand ich vor dem Kaeppele. Längst hatte ich den Reißverschluss von der Jacke offen und war echt durchgeschwitzt. Ich stand erst mal nur da und schnaufte eine Weile durch. Wenn die Kirche jetzt aus irgendeinem Grund nicht offen hatte und ich erfolglos wieder runter müsste, kriegte ich einen Tobsuchtsanfall, das sag ich euch! Aber die Tür war offen.

Ich trat ein - und wurde regelrecht erschlagen von Pracht, Schnörkseln und goldenen Mustern. Ob man es schön findet, ist wohl Geschmackssache, aber wie aufwändig und detailverliebt die Leute damals gebaut haben, wow! So viele Ornamente und noch Ornamente in den Ornamenten, wieviel Sinn für das Schöne und Ästhetische, welch eine Fülle an Ausdruck! Und heute? Da bauen sie nur noch funktionale Betonklötze und glatte Glasfronten, viele Quadratmeter voller Leere, Gemälde bestehen nur aus Klecksen, Kunst soll längst nicht mehr schön sein, sondern wird als Pflicht zur Provokation gesehen, man lässt sich Strichmännchen und Kindergekrakel in die Haut tätowieren, und man hat manchmal den Eindruck: je blöder desto besser. Was ist denn da passiert? Die Technik entwickelte sich rasant weiter, aber des Menschen Geist und Seele blieb auf der Strecke. Manchmal meine ich, wir modernen Menschen sind nur noch kahle Barbaren und haben nicht einmal mehr eine Ahnung dessen, was ein Mensch vor 200 Jahren noch empfinden konnte.

Ich suchte die schwarze Madonna. Ich weiß ja, man hält sie gern in einem Eck, unscheinbar, als sollte sie keiner sehen und doch lässt man sie nicht ganz verschwinden. Im Hauptraum fand ich sie nicht und auch nicht im Nebenschiff - dort war zwar ein Maria-Altar, aber die Figuren waren alle golden oder naturgemäß mit weißer Haut.

Als ich suchte und nochmal durch ging und nochmal suchte und da hin guckte und in jene Ecke reinschaute, fielen mir diese Fenster auf der Seite auf. Dort wurden marmorne Gliedmaßen ausgestellt und so komische Püppchen, vielleicht den russischen Matrjoschkas nachempfunden, irgendwie eingewickelte Figuren, sollten es Mumien sein? Vielleicht waren es auch Babys, die hat man ja früher gerne in Tücher verpackt, dass nur noch der Kopf rausschaute. Aber Babygesichter hatten sie ja nicht, die dargestellten Kinder waren schon älter. Schildchen waren daneben angepinnt: "Ich wurde erhört". Aha. Der Zusammenhang erschloss sich mir nicht .

Da endlich fand ich die schwarze Madonna! In einem Seitenraum, der durch das Seitenschiff durch einen unscheinbaren Gang erreichbar war, stand im Hinterzimmer regelrecht versteckt die schwarze Madonna. Ganz wie in Regensburg auch, da steht sie in einer Nebenkapelle, war sie auch hier aus dem Sichtfeld des Mainstreams verdrängt. Man will offensichtlich nicht, dass sie dem Gros der Kirchenbesucher auffällt. Ganz abschließen und wegräumen will man sie aber auch nicht.

Später als ich schon wieder unten war, fiel mir ein, dass ich doch einen Kirchenbediensteten nach ihr fragen wollte. So hatte ich es auch in Regensburg getan: Zuerst leugnete der Regensburger überhaupt ihre Existenz und als er merkte, dass ich definitiv von ihr wusste und dass Leugnen keinen Sinn hatte, murmelte er sichtlich ungern was von dieser anderen Kapelle, wo ich sie dann schließlich auch fand. Aber hier hatte ich vergessen zu fragen, schade.

Wie in Regensburg auch war die Würzburger Madonna mit ihrem Kind von schwarzer Haut, die Kleider waren jedoch bunt bemalt, und viel Gold verzierte die Gestalten. Sie war hinter einer Glasscheibe eingeschlossen in einem Schrein, der umrahmt war von Goldornamenten, davor ein Gerüst mit lauter Kerzenhaltern, wo auch immer Kerzchen brannten.

Wenn man fragt, warum die Figuren schwarz sind, kriegt man obskure Geschichten erzählt vom Ruß der Opferkerzchen, der sie schwärzte - ohne jedoch die Kleider zu berußen, naja, wahrscheinlich ein "Wunder" - oder dass sie in Wahrheit aus Gold sei und sie schwarz angemalt worden sei, damit die Feinde sie nicht raubten. Warum man dann die Kleider nicht auch schwarz angemalt hat? Na, offensichtlich waren nicht nur die Feinde ein bisschen doof, sondern auch die Maler .

Dagegen gibt's dann die esoterische Fraktion, die behauptet, es sei eine Darstellung der Isis mit dem Horuskind, die grundsätzlich schwarz sei, oder es stelle die Urkraft des Weiblichen dar, vor der man(n) sich so sehr fürchtete und es im Schwarz verteufelte. Das ist aber auch nicht logisch, denn die Figuren der schwarzen Madonnen, die ich bisher gesehen habe, sind allesamt Werke der Renaissance und man hätte sich in dieser erzkatholischen Zeit niemals eine Isis darstellen trauen, hätte gar nicht an so etwas "Dämonisches" gedacht, hat von sowas Unchristlichem auch meistens gar keine Ahnung gehabt. Der gemeine Mönch, Schnitzmeister oder Handwerker zu jener Zeit hatte doch noch nie was von einer Isis gehört gehabt, hört halt auf .

Ich nehme ja an, die Figuren sind einfach aus teurem Ebenholz geschnitzt, edelstes Material, der Madonna zu Ehren. Vielleicht war das zu dieser Epoche in Mode? Warum aber wird das dann nicht einfach gesagt, da wär doch nix dabei, und warum machen die Katholen drum so ein offensichtlich peinliches Geheimnis?

Ich überlege, ob ich es lüften soll oder lieber als Geheimnis belassen, weil leider sind Lösungen und Erklärungen meist so banal und enttäuschend, dass das Geheimnis-haben schöner ist.

Allemal hat die schwarze Madonna angeblich schon einige Male geholfen, denn nur immer bei ihr stehen diese Pinnwände mit Danksagungen und Bildchen von den Leuten, deren Probleme sie gelöst haben soll. Bei den goldenen Madonnen steht sowas nie.

Ich hatte alles fotografiert und trat nun wieder den Heimweg an, den Berg hinunter, all die feuchten, glitschigen Stufen. Ich hielt mich am Geländer fest, damit ich nicht ausrutschte und die steile Treppe runtersegelte. Da endlich hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen, eine asphaltierte Straße, hier stand auch ein Auto, an der Seite war ein Lattenzaun, dahinter fiel mir was auf: Dieser Heiligen-Statue hatten sie offensichtlich ihre Müllbeutel hingekippt, was für Schweine! Aber halt, nein! Der Bereich war umzäunt und abgesperrt, man konnte gar nicht ran. Ich sah nochmal genauer hin: Der Müll hatte anscheinend eine gezielte Form, war beabsichtigt und sollte etwas darstellen!

Also bitte, was soll denn jetzt DAS sein? Links ein bläulicher Müllhaufen, rechts ein rosaner, mit 2 Plastikflaschen, die eine Brust darstellen könnten. Ha, ich weiß es: Es ist das moderne Menschenpaar .

Kunstobjekt gelungen, echt, nichts trefflicher als das, man kann sich nur noch dafür schämen, vollumfänglich .

Ich lief den Berg gar runter und kam am Mainufer an. Auch da gab es Kunstobjekte, oder ist das eher die Raucherecke, Parkplatz für Barfußlaufer?

An der alten Mainbrücke herrschte eher wieder die funktionale Kreativität: Man hat einfach Fahrradschlösser um die Laternen angebracht. Die Würzburger hingen ihre Liebesschlösser dran und dann kann man die alle mit 1 Schnitt entsorgen, indem man nur das Fahrradschloss durchflext, und alle verrosteten Liebesschlösser fallen runter , echt praktisch.

Da rechts oben auf dem Berg im Hintergrund steht das Kaeppele, wo ich gerade war.

Nun suchte ich noch das "Teufelsloch", eine Vertiefung im Flussgrund an der alten Mainbrücke, die der Teufel gegraben haben soll, um die Pfeiler der Brücke im Fundament einstürzen zu lassen. Aber der Main floss friedlich und ruhig entlang, Enten und Reiher ruhten dort auf schilfbewachsener Böschung.

Unschädlich gemacht worden sei das Teufelsloch vom heiligen Nepomuk, der sogleich zum Dank darauf sein steinernes Standbild bekam. Der Teufel verkrümelte sich, die Brücke hielt. Hey, Nepomuk, wir haben in Fürth über der Wildwest-Tangente auch so eine marode Zirndorfer Brücke, kannste mal gucken, bevor die zusammenbricht?

Aber der heilige Nepomuk ging mit der Zeit, steht nur auf seiner Brücke, macht ein Selfie und postet das auf Instagram . (Nein, Unsinn: Natürlich ist es ein Kruzifix, das er hält, aber von dieser Seite aus sieht man den Querbalken nicht, der dem ganzen Menschengeschlechte fett über die Stirn genagelt ist.)

Im Abgrund rauschte der Fluss über das Wehr, des Teufels gezähmte Kraft in einer leeren, technisierten Welt.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Babys sind 'Votivgaben'.

Anonym hat gesagt…

Hallo Rafa, ist diese leere, technisierte Welt, in der alles überwacht wird nicht Ahriman's Welt? Oder siehst du es heute nicht mehr so?