Montag, 22. Dezember 2025

Doro im Löwensaal

Zufrieden kam ich mit dem Naglfar in Nürnberg an. Am Parkplatz tauschte ich die Autos und fuhr mit dem Röhrle weiter. Zuhause schleppte ich das ganze Gepretze aus dem Auto in die Wohnung rauf. Dann zog ich mich um. Doro-Shirt und Doro-Kutte hatte ich schon vor zwei Tagen hergerichtet, denn viel Zeit hatte ich nicht mehr. Eine kurze Verschnaufpause blieb nur, dann ging's gleich wieder los in die U-Bahn und ab zum Löwensaal.

Erstaunlich viele Leute standen da an, wer hätte das gedacht. Trotz des stolzen Eintrittspreises von über 60 € war das Konzert ausverkauft. Es war spürbar kälter geworden, die milde Wetterfront war abgezogen, und ich fror. Endlich war ich am Eingang, zeigte mein Ticket her und ließ von der Security-Frau meine Tasche durchleuchten. Drin habe ich u.a. die Bier-Lämpchen, immer so 10 Stück hab ich dabei in einer alten Filmdose, so ein kleines, schwarzes, rundes Plastikding, in dem man früher zu analogen Zeiten einen Film für den Fotoapparat aufbewahrte. "Aha" sagte die Securitine: "den Farbfilm haste also nicht vergessen ". Wow, die kannte sich echt aus !

Die ganze Schlange an Leuten von draußen stand nun drinnen an der Garderobe an. Also nein, ohne mich: Ich ging gleich in den Saal bis hinter an "mein" Eck neben der Theke. Diese ist aus leeren Bierkisten gebaut, in die man nämlich auch alles an Klamotten und Gepäck einfach reinstopfen kann. Ich hatte die Motörhead-Jacke an, so individuell bepatched, die wagte keiner zu klauen. Dazu noch dieses uralte Netz-Westchen (ich liebe es!), das hab ich in den 90ern irgendwann damals schon für billige 19,90 DM (!) gekauft gehabt, also das klaut auch keiner - rein in die Bierkisten!

Erst mal ging ich gleich wieder raus aus dem Gebäude, denn vor dem Eingang stand ein Pizza-Wagen. Ich hatte zuhause nicht mal Zeit gefunden, etwas Anständiges zu essen. Ich kaufte mir eine Schnitte Pizza und ging gleich wieder rein. Die Schnitte hatte vor Kurzem auch noch 3 € gekostet, jetzt 5, ja mei...

Da spielte nun schon der Opener: Holy Mother. Ich wusste gar nicht, dass Doro eine Vorband hatte, auf dem Ticket stand nichts davon. Mei, und da tönten nun Songs, die ich früher überall gehört hab und nie genau wusste, von wem das jetzt eigentlich ist. Jetzt - 40 Jahre später - hör ich sie wieder und denk mir: Ach, DIE waren das?!

Das gefiel mir gut. Eine CD würde ich mir nicht kaufen wollen, aber vielleicht einen Patch für meine 80er-Kutte, die ich soeben trug? Leider verkauften sie am Merch keine Patches von Holy Mother.

Das Publikum war my generation und so manch einen erkannte ich wieder: "Mensch, das ist doch der, der mich damals im Groovy mal angemacht hat...?" Ja, wie gut, dass das damals nichts geworden war, sonst hätte ich jetzt das da an der Seite . Naja, ich will nicht lästern, geh ich doch davon aus, dass sich das so mancher ebenso von mir dachte .

Ich stand ganz rechts, von wo aus man auch die Tür zum Backstage sehen konnte. "Gleich kommt Doro da raus" erzählte mir einer neben mir und hielt gespannt sein Handy im Anschlag. Da trat die kleine Doro aus der Garderobe und die ganze Meute der rechten Seite rief: "Doro Doro Doro!" Der neben mir filmte und filmte.

Doro trat auf die Bühne und röhrte los. Wie lang macht die das jetzt schon: mehr als 40 Jahre? Da ist freilich nichts mehr improvisiert und alles komplett einstudiert. Mit strahlendem Lächeln stand sie dort oben und zog ihre Show ab.

Hinter der Absperrung an meiner rechten Seite stand der Veranstalter, den ich auch noch aus den 70ern kenn, und guckte ihr zu. "Ich überleg mir manchmal, ob er eine Perücke auf hat, weil so dichtes Haar in dem Alter kann doch gar nicht sein." bemerkte ich zu dem neben mir. "Das frage ich mich von der Doro auch", grinste der. Na, Extensions wird sie schon drin haben, schätzte ich auch.

Ja, weil die Ragnarök-Lümmel mir immer "Doro Doro" nachschreien: vielleicht sollte ich eine Doro-Coverband aufmachen? Aber..., ach nein, lieber nicht, weil dann müsste ich ja die Hälfte meines Auftritts nur "hey hey hey!" von da oben runterbrüllen .
Nein, also mal Butter bei die Fische: Das Hey-hey-hey war auch schon mal viel schlimmer, das hat sie mittlerweile doch recht gut in den Rahmen gekriegt.

Man kann über Doro meckern, was man will, aber ich finde, sie hat eine wirklich tolle Stimme. Und sie hatte eine wirklich schöne Setlist, in der Kombi hab ich sie noch gar nicht erlebt. Alte Klassiker sang sie, aber auch Songs, die ich noch gar nicht kannte und am Schluss natürlich auch "all we are". Der uralte Song, den ich schon x-mal live gehört hab und der der Doro selber wahrscheinlich komplett zum Hals raus hing, war aber sehr schön in eine Abschlussvorstellung verpackt, also es klang gar nicht mehr langweilig.

Ich stand am Ende schon an der Tür und lauschte verzückt. Glücklich verließ ich den Löwensaal. Davor warteten die ausgewählten Taxis: das Fenster runtergelassen, guter 80er-Sound dröhnte aus der Musikmaschine, ein langhaariger Fahrer saß drinnen (nicht mal schlecht ausgeschaut, hey!), den tätowierten linken Arm ließ er raus hängen, Johnny Cool, der Mann, der durch die Eichel atmet... ich fahr mal lieber mit der Straßenbahn . Ich lief den Berg runter, während die Taxis nach unten und wieder rauf pendelten.

Um halbzwölf nachts war ich dann zuhause und legte mich gleich ab, morgen musste ich arbeiten, die letzten zwei Tage dieses Jahr, ich kriegs noch rum! Es war ein recht schönes Konzert und vor allem ein sehr, sehr schönes Wochenende, ich war mal endlich rundum zufrieden. Augenblick, verweile doch, du bist so schön!

Sonntag, 21. Dezember 2025

Skaldenfest

Ich war jetzt wirklich müd. Die Kraxelei auf den Berg und meine ganze Wanderung hatte mich ganz schön erschöpft, und weil ich dazu jetzt noch den ganzen Rest vom Nudelsalat gegessen hatte, hatte ich so eine richtige Bettschwere. Ich saß erst mal noch im Naglfar und guckte meine Fotos an, schrieb meinen Bericht. Das Skaldenfest hatte bereits um 14 Uhr Einlass, die erste Band spielte schon um 15 Uhr! Aber wenn ich da jetzt schon hingeh, hab ich ja schon um achte keinen Bock mehr?! Also machte ich mich erst sowas gegen 18 Uhr auf zur Posthalle. An der Congresshalle stand ein voi, das nahm ich.

Schon am Eingang standen wieder diese Lümmel vom Ragnarök und einer sagte: "Guck an, die Doro ist auch da!" Nein, die Doro gibt es morgen, heute gibt es erst einmal das Skaldenfest. Es war tatsächlich ganz schön voll. Ich war schon in der Posthalle auf Konzis, die nicht mal die Hälfte an Fläche und Besucher hatten.

Ich ging an die Tränke und holte mir erst mal ein Blink-Bier . Dann lief ich durch die Halle und guckte, wer denn alles da war. Huch, da war überhaupt keiner, den ich kannte .

Die Bands kannte ich auch nicht - bis auf den Headliner Insomnium. Ja, grad mal auch Sylvaine, die hatte ich schon mal wo gehört, am Dark Troll? Ich erinnerte mich kaum. Die ersten drei Bands hatte ich ja verpasst, weil ich erst jetzt gegen Abend hier aufgetaucht war. Meine erste Band war nun diese da: Disillusion. Die kannte ich nicht. Ich hörte sie mir eine Weile an, sie spielten sehr melodisches Zeug. Zum Moshen war es nix, fand ich. Also die rissen mich jetzt nicht weg, waren aber auch nicht unbedingt schlecht.

Nach ihnen kam Sylvaine. Vom Namen her kannte ich die und ich konnte mich noch dran erinnern, dass es ein Soloprojekt ist und eigentlich alles alleine von der Frontfrau gemacht wird. Diese Sylvaine ist sehr hübsch, hat tolle Haare und sie singt sehr interessant, nämlich mal Klargesang und dann wieder growlt sie. Das ist nicht ohne, aber "meins" ist es jetzt nicht so. Ich hörte mir's so an, holte mir noch ein Bier...

Dann kam eine Band, die hatte schon so einen seltsamen Namen: den Weg einer Freiheit. Davon hatte ich noch nie gehört. Die spielten nun auch so ein melodisches, sphärisches Zeug, zudem sprühten sie die ganze Bühne voller Nebel.

Ich setzte mich mal lieber drüben auf die Paletten-Bank, weil tanzen oder moshen konnte ich da nicht drauf. Da kam alsbald ne Frau und setzte sich auf den freien Platz neben mich. "Je älter man wird, desto lieber setzt man sich mal irgendwo dann doch", seufzte sie. Wir kamen ins Gespräch: Die Frau war aus Bochum und extra wegen dieser Band nach Würzburg gefahren, Kinder und Enkel hatte sie daheim gelassen. "Enkel?" fragte ich: "wie alt sind sie denn?" "25" sagte die Frau. Was?? Die Enkel? Schon 25? "Ja, wie alt bist du denn?" fragte ich erstaunt. Sie war 72 ! Mei, endlich mal jemand, der noch älter ist als ich! Das kommt ja echt selten vor .

Bisher war das Skaldenfest ja voll die Stoner-Metal-Vorstellung; ich mag's mehr thrashig, also da war ich offensichtlich falsch hier. Drum war auch keiner von meinen Kumpels und Bekannten da, jetzt war's mir klar.

Insomnium rissen dann die Stimmung wieder ein bisschen raus, das war wieder eher meins. Da konnte ich wenigstens ein bisschen moshen .

Gegen Mitternacht lief ich dann heim zur Friedensbrücke. Ich schlief sehr, sehr gut.

Gern hätt ich noch weitergeschlafen, aber es war schon Mittag und das 12-Uhr-Läuten dröhnte vom Dom her über den Fluss. Oh, ich sollte fahren! Abends bin ich nämlich noch im Löwensaal, also sooo viel Zeit habe ich gar nicht mehr.
Da räumte ich das Naglfar auf, schaltete die Heizung aus, lüftete durch, holte das Kabel ein, trug meinen Müllbeutel zum Container und dann wollte ich noch die Gülle-Box leeren. Als ich damit zur Gulli-Station kam, hatten sie diese geschlossen . Hee, das konnten die doch nicht machen, ich nehm doch jetzt meine Gülle nicht wieder mit?! Das hatten sich auch andere gedacht und man sah ganz deutlich die Reste von Klopapier und Kacke auf dem Gitter vom Grauwasser-Gulli. Naja, da schüttete ich meins drüber .

Das ist eine große Sauerei, allemal, aber die können doch nicht einfach die Entsorgungsstation dicht machen? Wie oft war ich hierher schon randvoll gefahren (diesmal war es nicht gar so dringend, bisschen Platz hätt ich noch gehabt, aber dennoch), weil ich weiß, dass ich hier Schwarzwasser ablassen kann - und dann geht das auf einmal nicht? Das ist doch im Preis mit drin, also dafür habe ich doch bezahlt?!

Jedenfalls ist jetzt wieder alles top am Naglfar, Gutalax-Box ist leer, Tank ist voll, Akkus sind auch voll, Heizung läuft.

die dunkle Seite von Würzburg: die schwarze Madonna

Was sollte ich denn den ganzen Samstag über machen, wenn ich am Freitag schon shoppen war? Was gibt es denn sonst so in Würzburg? Ich googelte: "Würzburg Gothic" – aber da warf es nichts aus, "Würzburg Metal" (das gibt meist blöde Ergebnisse wie Huber & Müller Metallveredelung oder Meier Schrotthändler, etc.), "Würzburg Gruseliges", "Würzburg Spukhäuser", aber dann fiel mir ein: "Würzburg schwarze Madonna" (wie bin ich denn da drauf gekommen? Ich weiß auch nicht...) – und tatsächlich kam ein Ergebnis . Was? Die haben da in Würzburg eine schwarze Madonna? Wo ist sie? Ich googelte weiter: Die Dame steht mit ihrem Horuskind in der Kaepelle Mariae Heimsuchung, 2 km vom Wohnmobilstellplatz entfernt. Toller Ausflug, ich werde euch heimsuchen!

Also latschte ich so um Mittag rum mal los vom WoMo-Stellplatz entlang des Mainufers. Die Sonne schien, es war recht mild und ich latschte und latschte. Endlich war ich am Fuß des Berges, wo oben die Kaepelle stand. Warum das "Kaepelle" heißt und nicht "Kapelle", weiß ich nicht.

Ich lief also den Berg hinauf und kam an dieser Abbildung eines wüsten Gelages vorbei: Oben bietet ein geflügelter Kellner einem Gast noch ein Bier an, unten hängen sie schon besoffen und müde in den Seilen und einen hat es sogar schon ganz umgewedelt, der schläft bereits seinen Rausch aus .

Ach so, das heißt nicht "Kaepelle", sondern "Käppele". Warum, weiß ich ebenso wenig .

Oh nein, und das ist jetzt der Weg, den es rauf geht? Wie gut, dass ich nicht mit dem Fahrrad gefahren war und mir auch kein voi genommen hatte, wie ich es schon erwogen hatte.

Die Treppen führten steil nach oben und ich stieg Stufe um Stufe. Ich tröstete mich damit, dass nicht nur Tausende diesen Weg schon vor mir hinaufsteigen mussten, sondern es ja auch irgendwelche armen Hunde haben bauen müssen. Die mussten die Treppen auch noch schwer mit Steinen beladen hochsteigen.

Oben gab es dann aber einen wunderschönen Ausblick über ganz Würzburg.

Endlich stand ich vor dem Kaeppele. Längst hatte ich den Reißverschluss von der Jacke offen und war echt durchgeschwitzt. Ich stand erst mal nur da und schnaufte eine Weile durch. Wenn die Kirche jetzt aus irgendeinem Grund nicht offen hatte und ich erfolglos wieder runter müsste, kriegte ich einen Tobsuchtsanfall, das sag ich euch! Aber die Tür war offen.

Ich trat ein - und wurde regelrecht erschlagen von Pracht, Schnörkseln und goldenen Mustern. Ob man es schön findet, ist wohl Geschmackssache, aber wie aufwändig und detailverliebt die Leute damals gebaut haben, wow! So viele Ornamente und noch Ornamente in den Ornamenten, wieviel Sinn für das Schöne und Ästhetische, welch eine Fülle an Ausdruck! Und heute? Da bauen sie nur noch funktionale Betonklötze und glatte Glasfronten, viele Quadratmeter voller Leere, Gemälde bestehen nur aus Klecksen, Kunst soll längst nicht mehr schön sein, sondern wird als Pflicht zur Provokation gesehen, man lässt sich Strichmännchen und Kindergekrakel in die Haut tätowieren, und man hat manchmal den Eindruck: je blöder desto besser. Was ist denn da passiert? Die Technik entwickelte sich rasant weiter, aber des Menschen Geist und Seele blieb auf der Strecke. Manchmal meine ich, wir modernen Menschen sind nur noch kahle Barbaren und haben nicht einmal mehr eine Ahnung dessen, was ein Mensch vor 200 Jahren noch empfinden konnte.

Ich suchte die schwarze Madonna. Ich weiß ja, man hält sie gern in einem Eck, unscheinbar, als sollte sie keiner sehen und doch lässt man sie nicht ganz verschwinden. Im Hauptraum fand ich sie nicht und auch nicht im Nebenschiff - dort war zwar ein Maria-Altar, aber die Figuren waren alle golden oder naturgemäß mit weißer Haut.

Als ich suchte und nochmal durch ging und nochmal suchte und da hin guckte und in jene Ecke reinschaute, fielen mir diese Fenster auf der Seite auf. Dort wurden marmorne Gliedmaßen ausgestellt und so komische Püppchen, vielleicht den russischen Matrjoschkas nachempfunden, irgendwie eingewickelte Figuren, sollten es Mumien sein? Vielleicht waren es auch Babys, die hat man ja früher gerne in Tücher verpackt, dass nur noch der Kopf rausschaute. Aber Babygesichter hatten sie ja nicht, die dargestellten Kinder waren schon älter. Schildchen waren daneben angepinnt: "Ich wurde erhört". Aha. Der Zusammenhang erschloss sich mir nicht .

Da endlich fand ich die schwarze Madonna! In einem Seitenraum, der durch das Seitenschiff durch einen unscheinbaren Gang erreichbar war, stand im Hinterzimmer regelrecht versteckt die schwarze Madonna. Ganz wie in Regensburg auch, da steht sie in einer Nebenkapelle, war sie auch hier aus dem Sichtfeld des Mainstreams verdrängt. Man will offensichtlich nicht, dass sie dem Gros der Kirchenbesucher auffällt. Ganz abschließen und wegräumen will man sie aber auch nicht.

Später als ich schon wieder unten war, fiel mir ein, dass ich doch einen Kirchenbediensteten nach ihr fragen wollte. So hatte ich es auch in Regensburg getan: Zuerst leugnete der Regensburger überhaupt ihre Existenz und als er merkte, dass ich definitiv von ihr wusste und dass Leugnen keinen Sinn hatte, murmelte er sichtlich ungern was von dieser anderen Kapelle, wo ich sie dann schließlich auch fand. Aber hier hatte ich vergessen zu fragen, schade.

Wie in Regensburg auch war die Würzburger Madonna mit ihrem Kind von schwarzer Haut, die Kleider waren jedoch bunt bemalt, und viel Gold verzierte die Gestalten. Sie war hinter einer Glasscheibe eingeschlossen in einem Schrein, der umrahmt war von Goldornamenten, davor ein Gerüst mit lauter Kerzenhaltern, wo auch immer Kerzchen brannten.

Wenn man fragt, warum die Figuren schwarz sind, kriegt man obskure Geschichten erzählt vom Ruß der Opferkerzchen, der sie schwärzte - ohne jedoch die Kleider zu berußen, naja, wahrscheinlich ein "Wunder" - oder dass sie in Wahrheit aus Gold sei und sie schwarz angemalt worden sei, damit die Feinde sie nicht raubten. Warum man dann die Kleider nicht auch schwarz angemalt hat? Na, offensichtlich waren nicht nur die Feinde ein bisschen doof, sondern auch die Maler .

Dagegen gibt's dann die esoterische Fraktion, die behauptet, es sei eine Darstellung der Isis mit dem Horuskind, die grundsätzlich schwarz sei, oder es stelle die Urkraft des Weiblichen dar, vor der man(n) sich so sehr fürchtete und es im Schwarz verteufelte. Das ist aber auch nicht logisch, denn die Figuren der schwarzen Madonnen, die ich bisher gesehen habe, sind allesamt Werke der Renaissance und man hätte sich in dieser erzkatholischen Zeit niemals eine Isis darstellen trauen, hätte gar nicht an so etwas "Dämonisches" gedacht, hat von sowas Unchristlichem auch meistens gar keine Ahnung gehabt. Der gemeine Mönch, Schnitzmeister oder Handwerker zu jener Zeit hatte doch noch nie was von einer Isis gehört gehabt, hört halt auf .

Ich nehme ja an, die Figuren sind einfach aus teurem Ebenholz geschnitzt, edelstes Material, der Madonna zu Ehren. Vielleicht war das zu dieser Epoche in Mode? Warum aber wird das dann nicht einfach gesagt, da wär doch nix dabei, und warum machen die Katholen drum so ein offensichtlich peinliches Geheimnis?

Ich überlege, ob ich es lüften soll oder lieber als Geheimnis belassen, weil leider sind Lösungen und Erklärungen meist so banal und enttäuschend, dass das Geheimnis-haben schöner ist.

Allemal hat die schwarze Madonna angeblich schon einige Male geholfen, denn nur immer bei ihr stehen diese Pinnwände mit Danksagungen und Bildchen von den Leuten, deren Probleme sie gelöst haben soll. Bei den goldenen Madonnen steht sowas nie.

Ich hatte alles fotografiert und trat nun wieder den Heimweg an, den Berg hinunter, all die feuchten, glitschigen Stufen. Ich hielt mich am Geländer fest, damit ich nicht ausrutschte und die steile Treppe runtersegelte. Da endlich hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen, eine asphaltierte Straße, hier stand auch ein Auto, an der Seite war ein Lattenzaun, dahinter fiel mir was auf: Dieser Heiligen-Statue hatten sie offensichtlich ihre Müllbeutel hingekippt, was für Schweine! Aber halt, nein! Der Bereich war umzäunt und abgesperrt, man konnte gar nicht ran. Ich sah nochmal genauer hin: Der Müll hatte anscheinend eine gezielte Form, war beabsichtigt und sollte etwas darstellen!

Also bitte, was soll denn jetzt DAS sein? Links ein bläulicher Müllhaufen, rechts ein rosaner, mit 2 Plastikflaschen, die eine Brust darstellen könnten. Ha, ich weiß es: Es ist das moderne Menschenpaar .

Kunstobjekt gelungen, echt, nichts trefflicher als das, man kann sich nur noch dafür schämen, vollumfänglich .

Ich lief den Berg gar runter und kam am Mainufer an. Auch da gab es Kunstobjekte, oder ist das eher die Raucherecke, Parkplatz für Barfußlaufer?

An der alten Mainbrücke herrschte eher wieder die funktionale Kreativität: Man hat einfach Fahrradschlösser um die Laternen angebracht. Die Würzburger hingen ihre Liebesschlösser dran und dann kann man die alle mit 1 Schnitt entsorgen, indem man nur das Fahrradschloss durchflext, und alle verrosteten Liebesschlösser fallen runter , echt praktisch.

Da rechts oben auf dem Berg im Hintergrund steht das Kaeppele, wo ich gerade war.

Nun suchte ich noch das "Teufelsloch", eine Vertiefung im Flussgrund an der alten Mainbrücke, die der Teufel gegraben haben soll, um die Pfeiler der Brücke im Fundament einstürzen zu lassen. Aber der Main floss friedlich und ruhig entlang, Enten und Reiher ruhten dort auf schilfbewachsener Böschung.

Unschädlich gemacht worden sei das Teufelsloch vom heiligen Nepomuk, der sogleich zum Dank darauf sein steinernes Standbild bekam. Der Teufel verkrümelte sich, die Brücke hielt. Hey, Nepomuk, wir haben in Fürth über der Wildwest-Tangente auch so eine marode Zirndorfer Brücke, kannste mal gucken, bevor die zusammenbricht?

Aber der heilige Nepomuk ging mit der Zeit, steht nur auf seiner Brücke, macht ein Selfie und postet das auf Instagram . (Nein, Unsinn: Natürlich ist es ein Kruzifix, das er hält, aber von dieser Seite aus sieht man den Querbalken nicht, der dem ganzen Menschengeschlechte fett über die Stirn genagelt ist.)

Im Abgrund rauschte der Fluss über das Wehr, des Teufels gezähmte Kraft in einer leeren, technisierten Welt.