Sonntag, 30. November 2025

Nuclear Winter, Hirschaid, am Samstag

Mittags wachte ich auf. Ich hatte im Naglfar alle Thermorollos runtergelassen und auch die Windschutzscheibe mit der Frostabdeckung zugekleistert. Nur die Seitenfenster im Fahrerbereich waren noch "offen", da hatte ich auch von innen die Park-Quittung mit Tesafilm hingepappt, weil die Windschutzscheibe war ja abgedeckt, was darunter lag, sah man nicht mehr. Gestern hatte mich noch der Platzwart erwischt und 24 € fürs Parken abkassiert. Warum müssen eigentlich immer bloß große Autos zahlen und die Kleinen nicht?

Bei Torstens Bus gegenüber sah man auch keine Quittung mehr auf dem Armaturenbrett. Seine Windschutzscheibe war zugefroren und voller Eis. Es hatte also mal wieder um den Gefrierpunkt im Auto, ich empfands aber gar nicht mehr so kalt.

So, und jetzt wollte ich mal eine Premiere starten: Seit 3 Jahren fahr ich so ein teueres Kabel mit mir herum, über 100 € hat das damals gekostet, aber bis jetzt hatte ich noch nie die Gelegenheit, es anzuschließen. Diesmal aber waren noch Plätze an der Stromsäule frei! Also kramte ich das Kabel aus dem Laderaum und stöpselte es an das Naglfar. Das andere Ende reichte locker bis zur Stromsäule, das Kabel ist 25 m lang. Man konnte es aber gar nicht sichern, weder am Naglfar noch an der Säule. Jeder Trottel hätte es einfach abziehen und mitnehmen können . Ich schmiss 2 € in die Säule und zapfte los.

Ja, schau an, sieht das geil aus: alle Lämpchen grün ! Jetzt konnte es keinen Spannungsabfall mehr geben, weil der Strom von extern kam. Zugleich lud es auch meine Batterie wieder auf. Die Heizung lief!

Der Torsten machte auch warm. Karin hatte es mir verraten: Er hatte über 40 Liter Glühwein dabei! Tatsächlich sah ich da im Bus ein paar so große Tetrapacks rote Plörre und einen rauchenden Topf auf dem Campingkocher. Da glühten sie vor sich hin; nein danke, ich mag keinen. Das papperte Süßzeug ist genau das, von was es einem schnell schlecht wird, geh mir bloß weg damit! Aber der Torsten muss ja immer so ein Schädelsprengerzeug saufen und verteilen, igitt, nix für mich.

Ich hatte beschlossen, dass ich nicht nach Hirschaid reinlaufen wollte. Normalerweise hab ich in allen Mäppchen und Ecken meine 50er-Geheimverstecke, also in meinem Geldbeutel steckt ein Reserve-50er hinter der EC-Karte, im Führerscheinmäppchen hab ich einen Reserve-50er stecken und im Mäppchen für die Naglfar-Papiere steckt auch noch einer. Wenn ich die ganzen 50er räuberte, sollte ich über das Festival kommen und brauchte nichts abheben. Ich muss es dann nur wieder auffüllen, sonst steh ich das nächste Mal dumm da .

Ich machte mich also gleich in die Halle. Dort spielten schon Whipstriker, und ich moshte ein bisschen.

Eine Message kam vom Tontechniker da oben, dem Chris. Ein Bildchen war drin: ich beim Moshen - von der Bühne aus. Paparazzi überall, ich schoss sofort zurück, wart nur! Ich erwischte den Chris beim Soundcheck und schickte die Message gleich los.

Jetzt begann die "blöde-Bilder"-Challenge!

Da hatte einer mein Bier umgeschüttet und ich guckte bös runter auf die Pfütze.

Was ich auch oft so widerlich finde bei Metal-Konzis: Da steht man so nichts ahnend in der Menge, auf einmal weht's wieder so ne Furz-Wolke her. Je besoffener die sind, desto reger die Darmtätigkeit, und da stehen diese Kerle mitten im Publikum und stellen einen nach dem anderen ab. Dahinter stehend haut's einen dann echt um, manchmal .

Schon nachmittags um 16 Uhr lag oben auf dem Balkon einer quer über dem Tisch. Das ist ja schade, der kriegt ja heut gar nix mehr mit.

Dann kamen Zerre auf die Bühne. Das war doch die Vorband von Tankard, die wir schon neulich in Würzburg gesehen hatten? Na, die waren doch nicht schlecht! Tatsächlich gefielen sie mir auch hier sehr gut. Ich wollte eine CD kaufen. Leider gab's am Merch aber keine CDs von Zerre. Sie boten ihr Album nur als Schallplatte oder Cassette an; na, sooo oldschool bin ich dann auch wieder nicht. Zudem hatte sie lauter Regenbogenaufkleber zu verkaufen, also das störte mich schon gescheit. Gut - wenn die nicht wollen, dann halt nicht. Ich würde mir das Album zuhause auf Amazon streamen und das Geld dann lieber dem Jeff Bezos in den Popo schieben als so einer Regenbogenband.

Karin wunderte sich, dass ich von denen überhaupt was kauf. Ach, ich bin da ziemlich schmerzbefreit. Musikalisch find ich die echt gut, dann kauf ich mir auch die Musik. "Du bist ja richtig tolerant" wunderte sich Karin. Naja, eigentlich nicht, aber ich finde diese Ausgrenzerei im Grunde ziemlich kindisch, das überlasse ich dann lieber den Linken. Ich verzicht doch nicht auf was, was mir gefällt und ich gerne hätte, nur weil die politische Haltung von denen nicht passt? Was hat die schon mit dem Produkt zu tun? Die Texte versteht doch eh keiner, so what?!

Mittlerweile war auch Torsten in der Halle angekommen. Er war ordentlich düdel, aber stand noch, tapfer. Javi lag abgefüllt im Bus. Na toll! Das ganze Konzi verpasst! Na, aber jeder, wie er meint.

Ich hatte mir noch ein paar Stückchen Pizza gekauft, eine Flasche von dem leckeren Chili-Ketchup, das sie da anboten und ein T-Shirt vom Braincrusher zum Erhalt der Halle. Jo: Jahn-Halle ist geil! Das muss man sponsern, find ich. Aber das war's dann mit Geld ausgeben, denn mein Bargeld im Portemonnaie war langsam dünn geworden .

Ich erlebte tatsächlich nach Deströyer auch noch Exhorder. Immerhin hielt ich länger durch als am Freitag. Es ärgert mich immer wieder, dass ich regelmäßig gegen 23 Uhr müde werde, aber so ist einfach mein durch die Arbeitswelt anerzwungener Rhythmus. Wenn ich aber erst mal in Rente bin, wird sich das so einleveln, wie mir das passt!

Nach Exhorder machte ich mich zum Naglfar. Es war kuschelig warm im Auto. Ich guckte noch auf die Stromuhr an der Säule und warf noch einmal 2 € nach, damit es für die Heizung durch die ganze Nacht reichen würde.

Am nächsten Morgen bekam ich im Halbschlaf das Eiskratzen mit, das Torsten an seinem Bus veranstaltete. Die Schiebetür zog es auf und zu und auf und zu. Dann ein holpriger Dieselstarter, der alte Bus mochte nicht recht, aber er drehte schließlich rund. Torsten rangierte aus der Lücke; ich hatte ihn ganz schön dämlich zugeparkt, aber er kam raus.

Ich schlief noch eine Weile, guckte dann mal so um 9 rum aus dem Fenster: die Sonne schien.

Mensch, das sah ja voll schön aus - so aus dem beheizten Auto raus, wie romantisch! Die meisten waren schon gefahren.

Da ich ja wirklich nur einen Katzensprung Weg vor mir hatte, frühstückte ich gar nicht lang rum, sondern räumte zügig auf - das Kabel eingerollt, die Gutalax-Box entsorgt, Müll in die Tonne, Abfahrt!

Glücklich kam ich in Nürnberg an. Was für ein tolles Wochenende das war - ja, was für ne tolle Woche! Sehr geil.

Nuclear Winter, Hirschaid, am Freitag

Es war schon dunkel als ich zum Röhrle auf dem Park&Ride-Parkplatz kam. Ich warf den Koffer ins Auto, startete und fuhr heim nach Nürnberg. Zweimal "zwitscherte" mein Ooono-Copilot während der Fahrt, schon wieder fuhr ich also zu schnell , aber nicht nennenswert, und geblitzt wurde ich auch nicht.

Zuhause suchte ich mir einen ordentlichen Parkplatz, denn so eigentlich wollte ich heute dann nicht mehr fort. Morgen würde ich auf das Nuclear-Winter-Festival nach Hirschaid fahren, aber erst mal war ich doch ganz gut bedient von der ganzen Seminar-Tour und wollte eigentlich chillen.

Als ich ins Haus kam, öffnete ich erst mal den Briefkasten. Zwei Briefe lagen drin, einer von der Bank, Kontoauszug, und einer von der Polizei, oh weh , mein Blitzer! Gaaaanz ruhig, Atemübungen machen, wir leben im Hier&Jetzt, haben den Brief nur in der Hand, nicht gelesen, es ist gerade gar nix, überhaupt nix, nix, nix, absolut gar nix!

Ich war sehr froh, dass das jetzt schon kam, es war erst Ende November, ich könnte mein Fahrverbot also sofort antreten … naja, was heißt "sofort"? Morgen noch nach Hirschaid, aber am Montag würde ich dann gleich auf die Gustav-Adolf-Wache gehen und meinen Führerschein für die nächsten 4 Wochen abgeben, denn vorsorglich hatte ich mir für die nächste Zeit schon gar keine auswärtigen Konzerttickets mehr kaufen trauen.

Ich ging die Treppe hoch, schloss die Wohnung auf, schmiss Koffer und Gepretze ins Eck, setzte meine Brille auf und öffnete sofort den Brief: boaaaah! Ich war gar keine 120 gefahren, nur knapp über 100! Ich hatte 24 km/h zu viel - ab 26 km/h hätt es tatsächlich ein optionales Fahrverbote geben können! Ich war nur 2 km/h drunter! Was für ein Dusel!! Das konnte ich ja fast nicht glauben, kann doch net sein, ja, aber wenn es da steht? Sollte ich tatsächlich noch zum fahrenden Volk gehören dürfen? Ich war ganz platt, konnte das jetzt ad hoc gar nicht kapieren, hatte mich schon voll auf Laufen und Radfahren eingestellt, auch schon bezüglich einer Bahncard erkundigt und nur noch das Konzertprogramm im Hirsch und Löwensaal geguckt, wo man mit der Straßenbahn hinkommt. Das klickerte jetzt wirklich noch gar nicht richtig durch, dass dieser Kelch an mir vorbei gegangen war und musste natürlich sofort begossen und gefeiert werden: ab nach Hirschaid, sofort!

Wisst ihr, ihr buddhistischen Hier&Jetzt-Prediger der Facebook- und Kalendersprüche: Katastrophendenken und Schwarzsehen ist gar nicht schlimmm, sondern voll zweckmäßig, weil ihr habt ja keine Ahnung, wie schön die Erlösung von der düsteren Vorahnung ist! ...und wär die üble Befürchtung doch eingetroffen, wäre ich wenigstens innerlich schon drauf vorbereitet gewesen. Drum bleibe ich auch weiterhin Zweckpessimist, denn unterm Strich kommt es echt besser rum: Statt die grausige Klatsche nach der vagen, naiven Hoffnung abzukriegen, bekam ich jetzt die sichere Freude nach dem vagen, großen Grausen, ha, ich kann's kaum glauben, wie wundervoll!

Mein Gepäck für Hirschaid hatte ich schon vor der Fahrt nach Bad Soden hergerichtet, und so packte ich nur noch den Waschkorb mit dem Metal-Zeug und rauschte gleich wieder los.

Ich war natürlich zu spät dran, es war schon 18:45 Uhr als ich ankam, einiges hatte ich schon verpasst. Da stand Torstens "Bus". Ich parkte direkt davor. Ich glühte kurz vor, zog mich um, Motörhead-Jacke an und lief dann gleich vor in die Jahnhalle. Dort gab's ein kleines Problem: Die hatten am Eingang kein EC-Cash und ich hatte noch kein Ticket (hatte mir keins bestellen trauen, denn kalkulierte damit, ggf. keinen Führerschein mehr zu haben und gar nicht hinzukommen). Also zahlte ich an der Abendkasse bar und hatte dann nur noch einen Fuffi in der Tasche.

Nach meiner Business-Tour war das jetzt wie Heimkommen: die ganzen wilden Leute, die Kutten, die Nieten, lange Haare, überall Bier - herrlich! Niemand hielt mir die Tür auf, um der feinen Dame Einlass zu gewähren, tütütü, sondern ich konnte ganz ungeniert selber für mein Fortkommen sorgen: "Hey, du Arsch, ich will da rein, geh mal weg da!" Ich fühlte mich so wohl, hey, so schön! Na, ich war einfach super gut drauf, beste Laune ever.

Zum letzten Song dieser Band kam ich in die Halle. Dieser letzte Song hörten sich ganz gut an, aber ja mei, alles verpasst. Ich traf auch gleich die Karin, dann den Benni und schließlich Torsten und Javy. Die Töchter waren wohl heute gar nicht dabei? Während der Umbaupause guckte ich mich um, wer alles da war und holte mir auch gleich ein Bier.

Ich hatte gar keine Ahnung, wer denn alles spielt, denn ich hatte noch gar keine Zeit, mich um irgendwas zu kümmern oder überhaupt nur das Line Up anzugucken. Umso überraschter war ich als jetzt als Nächstes tatsächlich Total Hate auf die Bühne kamen. Wie geil !

Ich freute mich wie ein Schneekönig und moshte mir einen ab. Manchmal frag ich mich schon, woher ich die ganze Energie nehme, ich hatte schon immer zu viel davon und muss zusehen, wie ich sie austoben kann . Noch während des Gigs von Total Hate ging ich zum Merch und kaufte ein Shirt von ihnen. Eine CD und einen Patch hatte ich ja schon beim letzten Konzert von ihnen gekauft. Das Shirt kostete nur 15 € und war von der Substanz her auch nicht schlechter als die für 40 € von manch anderer Band. Da zahlt man also mind. 25 € nur für den Namen!

Das Bargeld in meinem Geldbeutel wurde nun langsam knapp, hui. Für wieviel Bier reichte es noch? Für heute ging's noch, morgen würde ich nach Hirschaid reinlaufen müssen und irgendwo was abheben.

Die nächste Band kam auf die Bühne: Hellbutcher. Die waren so übertrieben benietet und aufgestachelt, dass es schon wieder geil war.

Ich hatte mich mittlerweile wieder etwas beruhigt und hüpfte nur noch "normal" rum. Schließlich wurde ich doch müd. Ich war heute um 7 aufgestanden, hatte einen halben Seminartag hinter mir, ein fettes Hotelbuffet zu Mittag, anschließend eine lange Zugfahrt, eine Briefkastenüberraschung vom Feinsten, noch eine Nachtfahrt mit dem Naglfar zur Anreise hierher - und jetzt war ich langsam durch. Ich machte mich deswegen nach Hellbutcher ins Naglfar und legte mich ab.

Das Leben ist schön - wenigstens manchmal .

Samstag, 29. November 2025

Seminar in Bad Soden

Die Kollegin und ich liegen in den letzten Zügen - was unser Berufsleben betrifft. Kollegin ist noch 2 Jahre jünger als ich, aber ich zähle nun schon die Monate wie im Knast: noch 16 bis zur Rente . Drum durften wir zwei nun ein Seminar besuchen "Rente - und dann?". Ist ja nicht so, dass ich das nicht wüsste, schließlich warte ich seit meinem 18. Lebensjahr auf diesen Termin , aber ich freute mich trotzdem arg auf das Seminar, denn da kann ich bestimmt was draus mitnehmen.

Ich fuhr am Mittwochmorgen mit dem Röhrle bis in die Ortschaft, wo die Kollegin wohnte und parkte dort auf den Park&Ride-Platz. Ich mummelte das Röhrle ein und spannte die Folie über die Frontscheibe: Tschüß, Röhrle, da stehst du jetzt 2 Tage! Dann setzte ich mich in das Bahnhofscafé und kaufte mir einen Kaffee. Bald kam die Kollegin, die die Bedienung natürlich kannte, wie das auf'm Dorf halt so ist, wo jeder jeden kennt; bestimmt ist sie nun längst das Dorfgespräch, welch sonderbare Kollegen (mich ) sie doch hat.

Wir seilten uns aus dem Café und fuhren mit der Bummelbahn (Regionalexpress) erst mal nach Würzburg. Da stemmte ich im Zug meinen neuen Koffer, den ich mir eigens dafür gekauft hatte, hinauf auf die Garderobe. Die Kollegin musste mir helfen, weil allein schaffte ich's kaum (null Kondition hab ich mal wieder ): "Ist der schwer, was ist denn da drin?"
"Naja, Klamotten und mein Laptop..."
"Du hast einen Laptop dabei?"
"Na freilich! Du net?" Businessclass fahren und keinen Laptop dabei haben? Wo gibt's denn sowas?

In Würzburg stiegen wir um in den ICE nach Frankfurt, 1. Klasse. Da hatten sie alle einen Laptop dabei, also...! "Hast du echt keinen Laptop dabei?" fragte ich die Kollegin . Also da tät ich mich ja genieren, wenn ich keinen Laptop dabei hätt .
Ich ließ meinen Laptop aber im Koffer, denn viel zu selten fahre ich mit der Bahn, da wollte ich doch zum Fenster raus gucken. Außerdem hatte ich mir am Bahnhof in Würzburg ein schönes Metal-Heftchen gekauft. Da fährt ein ICE - alle lesen sie Business-Insider, Capital und Börsennachrichten, bloß 1 Passagier liest einen Artikel über Knorkator und sagt: Grrrph !

In Frankfurt mussten wir umsteigen. Am Bahnhof standen Grüppchen von Zeugen Jehovas. Die haben sich jetzt auch schon digitalisiert und halten ihre Tablets hoch. Aber analoge Wege zum Himmelreich bieten sie schon auch noch an, der Wachtturm ist jetzt die Offenbarung in verschiedenen Sprachen und natürlich voll woke.

Wir fuhren weiter mit der S-Bahn und kamen an in Bad Soden. Noch 15 min Fußweg durch den Park und dann waren wir am Hotel. Da startete dann gleich das Seminar mit lauter alten Leuten, die angehenden Rentner. Es waren recht lustige Leute, alle sehr intelligent, 6 Männer und 6 Frauen, eine toll zusammen gewürfelte Gruppe. Das Seminar wurde dann auch schon am ersten Tag recht lustig und endete noch ganz arg lustig in der Hotelbar.

Ich schlief eigentlich wunderbar . Wegen Wohnmobilerei bin ich in einer Facebook-Gruppe, die heißt "Hotelbettenallergiker". Drum hatte ich mir extra so einen alten, roten Lippenstift mitgenommen und malte mir eine Allergie auf . Da bekam ich dann in der Gruppe die Tipps, dass ich doch im Foyer schlafen könnte, das käme dem Campen immerhin sehr nahe oder dass ich mir die Hand sofort amputieren lassen sollte .

Ich war aber mit meinem Zimmer recht zufrieden. Es ist halt nicht zuhause und es ist nicht mal Naglfar, aber "so" konnte man nicht meckern.

Besonders das Essen war geil! Ich hab ja nun extra im September und Oktober Diät gemacht, denn das hab ich auf mich zukommen sehen! Vorweihnachtszeit ist Fresszeit. Es wär ja auch echt schad, hier nicht ins Buffet reinzufallen und sogar noch was übrig zu lassen, also das geht ja gar nicht!


Das Seminar wurde immer lustiger. Wir bildeten 3er-Grüppchen und beantworteten einen Fragenkatalog, z.B: "Was wollten Sie werden als Sie 16 waren?" Was wollte ich werden? Automechanikerin! Aber meine Mama sagte dann: Das iss nix für 'n Mädchen, da brechen die Fingernägel ab und man stinkt nach Öl. Öl de Cologne, ist doch geil ! Der Kollege schoss im Workshop aber den Vogel ab: Er wollte damals noch Frauenarzt werden . Was?? Alternativ wollte er Schreiner werden, aber leider habe er so gar kein handwerkliches Geschick, nur zwei linke Hände, erzählte er, und so landete er in der Verwaltung.

Büroangestellte, die wir alle sind, mussten wir natürlich sofort auf das "Wacken der Büroangestellten", wenn da ja schon eins war . Heute, und nur heute, hatte sie in Bad Soden auf dem Messer-Platz nahe des Bahnhofs ein paar Buden aufgestellt und schenkten Glühwein aus. Da standen wir dann, guckten uns die Buden an, tranken einen Glühli und noch einen Glühli. Auf dem Heimweg kamen wir dann durch den Park, da war - Überraschung! - ein Glühweinstand und da mussten wir natürlich gleich stehen bleiben, um zu vergleichen, welche Glühwein nun der Bessere war . Der Rest des Abends verscholl dann in der Hotelbar . Die Hotelbar war bald absolut voll, weil eine Menge Neuankömmlinge eingetroffen waren. Es sickerte durch, das seien "die Lehrer". Einer der Lehrer hatte ein schwarzes T-Shirt an mit gelber Schrift, drum quatschte ich den gleich an, denn ich dachte schon, es sei ein Knorkator-Schriftzug. Nein, es war ein anderer witziger Spruch, aber der Lehrer kannte natürlich Grrph! .

Am nächsten Tag wurde das Programm straff organisiert. Es tagte hier nun nämlich der Kongress der Philologen (Grrph!!! ) und ca. 120 Lehrkräfte hatten sich im großen Saal dafür eingefunden, denn der Minister von ...Hessen? BaWü? ach, von irgendeinem Bundesland, eben, sollte dazu kommen, um sich den Anträgen der Philologen (Grrph!) und Lehrer zu stellen. Drum wurde es zeitweise sehr laut, wenn die 120 Personen in der Pause im Foyer standen, und auch der Speisesaal musste sorgfältig eingeteilt werden.

Aus dem Fenster unseres Seminarraums konnte ich sehen, wie da hinten zwei Securitys durch den Seiteneingang in das Hotel kamen. Dezent verdrückten sie sich gleich irgendwohin, damit sie nicht auffielen. Jetzt kam gleich der Minister! Unsere Gruppe hatte nun Pause, und als wir im Foyer beim Kaffeetrinken standen, kam da endlich der Minister mit seinem Gefolge die Treppe herunter. Verstohlen fotografierte ich den Staatsbesuch hinter meiner Kaffeetasse hervor, drum hab ich sie auch allesamt unkenntlich gemacht, weil ich traute mich nicht hingehen und nach Fotografier-Erlaubnis fragen. Aber ich glaub, das sind ja auch VIPs und Personen des öffentlichen Lebens, die darf man fotografieren .

Am Freitag seminierten wir noch bis Mittag. Die Kollegin und ich entschieden uns für das Mittagessen vor Ort - wir hätten auch ein Lunchpaket mitnehmen können, aber lieber nicht. Gepackt hatten wir schon, unsere Köffer waren im Seminarraum abgestellt und nach dem Essen machten wir uns gleich auf zum Bahnhof der S-Bahn.

Da lag der Messer-Platz finster und kalt, keine Bude stand mehr, alles war weg.

Wir gingen zum Bahnhof und warteten auf die S-Bahn, aber siehe da, wer da kam: Der Lehrer! Noch immer hatte er das schwarze T-Shirt mit dem gelben Schriftzug an, kurze Ärmel, keine Jacke. Ja, er war der Meinung, der Mensch hätte das Frieren nur anerzogen bekommen, weil die Mütter zu den kleinen Kindern schon sagen: "Zieh deine Jacke an", aber das sei eigentlich gar nicht nötig, denn der Körper erzeuge genügend Eigenwärme. Aha, heißer Typ, ja ja. Ich widersprach lieber nicht, besonders auch, weil er sogleich begann, allerlei fremde Leute um sich rum philologisch zu beglücken und in einer Tour redete.

In Frankfurt stiegen alle um, und jeder nahm einen anderen Zug, einer nach Dortmund, einer nach München, und die Kollegin und ich nahmen dann lieber unseren geplanten ICE nach Würzburg eins später.

"Komm, fahren wir einfach weiter … bis Wien" juxte ich: "an Klamotten und Zeug haben wir ja alles dabei". Gegen 21 Uhr würden wir in Wien ankommen, träumten wir, stiegen dann aber doch in Würzburg aus.

Freitagnachmittags, alle fuhren von der Arbeit und Schule jetzt nach Hause, in Nürnberg war zudem heute noch die Eröffnung des Christkindlesmarkts, da war absolut der Teufel los, und Massen von Leuten waren unterwegs. Der Regionalzug ab Würzburg war proppenvoll, kaum noch ein freier Platz war zu kriegen, aber wir quetschten uns mit unseren Businesstickets noch in die 2. Klasse auf einen Sitz, alles war voll besetzt. Die Kollegin und ich guckten aus dem Zugfenster. Der Nachmittag war bereits düster geworden, Dörfer und Häuser schossen an uns vorbei, auf einer Wiese in der Ferne grasten drei Rehe. Wir sinnierten vor uns hin.
"Frauenarzt wollte der werden..." fiel mir wieder ein.
"Wer? Der Doppellinkshänder?" antwortete die Kollegin und fing an zu kichern.
"Allmächd, ja, steht vor der Höhle und hat nur zwei linke Hände" *lach lach lach*
"...der Grobmotoriker" sagte die Kollegin und prustete los.
Wir kriegten uns nimmer ein und verfielen bald in einen gigantischen Lachflash.
"...aber dann hat er sich doch für die Verwaltung entschieden, muaahahahaha!" Tränen haben wir gelacht, immer wieder noch ein Wort eingeworfen und noch mehr gelacht als gerade eben noch. "Ich mach gleich in die Hos'... huhuhu hahahaha". Zwei Sitze weiter fing dann einer an mitzulachen. Er wusste zwar nicht, worum's ging, aber der lachte, weil wir beide so herzhaft lachten und bald lachte das ganze Abteil. Mann, war das lustig, ich lach jetzt noch, wenn ich dran denk, selten so gelacht .