Die Renate kam heut schon früher zum Putzen als sonst: Sie musste nämlich nachmittags arbeiten. Drum hatten wir auch gar keine Zeit, groß ins Café zu gehen und hockten uns auf einen kurzen Kaffee in den Hof. Dafür hab ich jetzt im Waschkeller extra eine kleine Kaffeemaschine runter gestellt.
Renate ging schon um dreiviertelzwei, da machte ich mich in die Stadt, um vielleicht dort mein seelisches Gleichgewicht wieder herzustellen. Ich brauch in meinem psychischen Erschöpfungszustand einfach wieder ein bisschen Leben! In der Stadt lief das vegetarische Fest. Vertreten war dort auch die Rampe e.V., wo der Ino angestellt ist. Da er irgendwie schon 150 Minusstunden aufgebaut hat, wollte er sich groß engagieren und meldete sich zur Arbeit am Rampe-Stand.
Also suchte ich mal den Ino. Ist er das? Nein! Viel zu dünn!
Mei, was man da so in der Stadt alles Erbauliches und Nettes sieht...?
Neben der bodypainteden Lady war auch gleich der islamische Stand aufgebaut, hinter dem zwei vermummte Vollbärtige um Aufmerksamkeit baten. Tja, schlecht gewählte Location bei der Performance!
Haaa, gefunden! Da stand der Ino und ... "arbeitete".
Eine Horde Christen trieb sich auch um die Lorenzkirche herum und verteilten Chick-Comix und Flugzettel. "Jesus liebt dich" schwallte mich so ne Tussi an. "Jesus ist ein Arschloch! Den kannste f-i-c-k-e-n!" bölferte ich wütend zurück. Ich hab zur Zeit wieder nicht einmal mehr den Nerv, Christen ordentlich auflaufen zu lassen. Sogar dafür fehlt mir mittlerweile die Geduld!
Ino hatte sich das christliche Flugzettelchen extra für mich aufgehoben. Dahinter steht die hochschwangere Nessie und jubelt auch noch gemein: Ich werde gemobbt!
Am Komm zog unterdessen die Tanz-Demo los. Da waren natürlich wieder meine Mieterlis vertreten.
Die hatten ja ein richtig geiles Motto, was meiner momentanen Stimmung 1:1 entsprach! Also tanzte ich mit gegen Leistungsdruck und gegen den Totalkapitalismus. Mei, wann hab ich denn das letzte Mal getanzt? Das tat ja richtig gut, mal wieder rumzuhüpfen und die Aggressionen bissel rauszulassen.
Ich glaub, die Punks und Metaler etc. sollten sich (wenigstens bedingt) mit der Hip-Hop-Szene arrangieren. Das ganze Technozeug ist nun zwar absolut nicht "mein Sound", aber die Gesinnung und die Stimmung dieser Hip-Hopser gefällt mir außerordentlich gut.
An seinem vegetarischen-Döner-Stand stand noch immer der Ino und rührte ganz rührselig im gegrillten Tofu herum. "Was kostet denn die Portion?" fragte ich hungrig, aber die wollten
Ich probierte dann erst einmal das biologische Dinkel-Bier vom Stand nebenan. Dann schwang ich mich auf mein Rad und fuhr lieber mal der Demo nach, die schon in der Südstadt sein dürfte. Leider erwischte mich dann auf Höhe Aufseßplatz ein Gewitter. Da setzte ich mich zum Beck rein und trank so lang einen Kaffee.
Ich stellte fest, dass ich zu lüftig angezogen war, weil ich hatte nur ein ärmelloses Top an und durch das Gewitter hatte es doch ziemlich abgekühlt. Also guckte ich mal in den Kik-Markt, um mir eine Fleece-Jacke zu kaufen. Sie hatten nur noch eine, weil langärmliges Zeug ist zur Zeit out. Die eine Fleece-Jacke war runter gesetzt auf 7,99 €. Ja, genau, sowas Billiges hatte ich mir vorgestellt! Ich wollte zwar eine blaue Jacke und diese da war moosgrün, aber für den Preis ging's schon. Der Verkäufer sagte: "Wenn Sie noch einen Augenblick warten, setz ich sie runter." Was? NOCH billiger? Tatsächlich! Da klebte er ein Plepperl drauf, auf dem stand "4,99"! Ich frag mich, wie die das machen, echt. Was sind denn da die Herstellungskosten und wieviel verdienen denn die Arbeiter in der Textilfabrik, die das Teil zusammen nähen? Eigentlich dürfte man so eine totalkapitalistische Fleece-Jacke überhaupt nicht kaufen. Vielleicht hätte ich doch schnell heim radeln sollen und mir dort eine von den mind. 20 Fleece-Jacken holen sollen, die ich schon habe? Mei, also irgendwas stimmt doch hier nicht...
Als ich dann im KV ankam, waren die Demo-Leute dort schon am Feiern.
Lisa erzählte mir die Geschichte von ihrer Festnahme vom 1. Mai: Dabei wurde sie von den Grünen auf den Boden geworfen, einer trat ihr ins Genick und sie war dann sogar kurzzeitig bewusstlos. Am Tag nachher war sie beim Arzt, hatte eine fetzige Gehirnerschütterung und einen Haarriss in der Kniescheibe. Das Knie schwillt nun immer wieder an, wird mords blau und tut weh. Die Anzeige kommt noch. Na toll.
Beim Gruppenbild muss ich leider Armandos Hosenlatz zensieren, weil der sich sein Gehänge raushängen ließ.
Dann kam irgendwer mit einem Kinderwagen dahergefahren, drin saß ein Ramones-Baby. Lisa und Brot waren total begeistert. Baby, Baby, pass bloß auf! Die Tante Lisa hat total viel "kriminelle Energie", hat die Polizei gesagt!
Ino wollte dann an die nächste Tankstelle fahren, um sich eine Flasche Wodka zu kaufen. Zu dem Zweck lieh ich ihm mein Fahrrad, aber an der Tankstelle verkauften sie ihm keinen Wodka mehr, angeblich weil es zu spät war.
Mir war nicht recht nach groß rum-feiern, drum radelte ich lieber heim. Ich bin immer noch nicht durch gekommen mit meinen Gedanken zur Arbeitssituation. Ich brauch noch ein, zwei Tage bis der ganze Stress so weit verraucht ist, dass ich wieder fähig bin, mir eine ordentliche Lösung auszudenken.
Sonntag, 22. Mai 2011
Tanzdemo gegen Leistungsdruck
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1 Kommentar:
KIK steht für: Kinderarbeit ist kostenlos. Die Klamotten bzw. deren Stoffe werden größtenteils in Bangladesh, China, Indien etc. hergestellt. Wenn man sich vor Augen hält das es dort T-Shirts für 2€ - 3 € gibt, dann kann man sich überlegen was nach dem Transport der Teile nach "Good old germany", dem Durchlaufen der Vertriebskette, dem Entlohnen der Filialmitarbeiter, der (sicherlich hohen) Gage für Frau Pooth und der Gewinnabschöpfung des Konzerns noch an die Arbeiter(innen) in den Herstellungsländern geht.
Wenn man es finanziell nicht unbedingt nötig hat, dann sollte man m. M. nach auf den Kauf bei solchen Ausbeuterfirmen verzichten.
Have a nice week ...
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