Nachts schlief ich prima, oh, es ging mir so gut! Die Tour hier beschwingt mich richtig, und vielleicht bringt sie mir mein altes Lebensgefühl vom vorletzten Sommer zurück, das ich im letzten Jahr und besonders diesen Winter irgendwie verloren hab.
Ich saß im Naglfar und frühstückte in aller Ruhe. Ich liebe dieses Festival-Feeling, wenn man nen Kaffee trinkt und dabei so beobachtet, was die Leute draußen so machen. Die Einen waren immer noch platt vom Vortag - oder schon wieder neu abgefüllt - die Nächsten krabbelten verpeilt aus ihren Zelten und Autos, manche Mädels stylten und kämmten sich, Andere liefen schon zum Infield, manch ein Auto kam daher gefahren und suchte noch nen Parkplatz, die Nachbarin wickelte ihr Baby, das sie dabei hatte und ich trank Kaffee und häkelte.
Da beobachte ich noch was: Fast direkt vor dem Naglfar kam immer wieder ein roter VW-Bus daher gefahren und hielt vor meiner Nase, Leute stiegen ein und er fuhr wieder davon - ein Shuttle-Bus
! Also der Weg rauf zur Burg betrug Luftlinie wohl nur 200 Meter, allerdings hatte er eine Steigung von 45% und drum wand sich eine serpentinenartige Straße im weiten Bogen um den Berg, die hatte bestimmt immer noch 12% Gefälle - oder man konnte auch die kriminelle Treppe hoch krabbeln, auf der ich gestern dreimal stehen blieb und keuchte, weil mir echt die Puste ausging bei dem Aufstieg. Naja gut, ich hab auch grad keinerlei Kondition. Ich hüpfte gleich in den Shuttle-Bus und ließ mich einfach bequem hochfahren. Für die 200 Meter Strecke wollten sie 2 € haben, aber das war's wert
.
Boah, im Bus saß ein alter Kerl mit drin, der erzählte mir was in breitestem DDRlerisch, ich verstand kein Wort, echt. Aber ich sagte immer tapfer: "Joo, nüü!" und anscheinend hat der gar nicht gecheckt, dass ich nix checkte - oder er erzählte mir die Story vom Pferd und lachte sich innerlich einen ab, weil ich immer fleißig zustimmte.
Ich hatte ein Päckchen Flyer dabei vom Norman und verteilte die erst mal auf den Tischen. Leute, kommt auf das "Darkness over Thuringia", sponsert fleißig Gnadenhof-Events, Norman will schließlich das Feriendorf Crispendorf aufkaufen! Echt, ich tät da hin gehen, aber leider ist an dem Tag auch das Monster-Festival in Geiselwind, dafür hab ich schon ein Ticket.
Da ich ja mittlerweile gut 2 Kisten voller Festival-Zipper und -Hoodies habe und schon bald nimmer weiß, wohin damit, hab ich ein neues Objekt meiner Merch-Begierden entdeckt: Festival-Jogginghosen! Die erste Jogginghose kaufte ich letztes Jahr auf dem Party San - und war bald begeistert von ihr, wie chillig! Ich liebe diese stylische Gammelhose
, warum hab ich denn nicht gleich zwei davon gekauft?! Ich bestellte mir gleich die nächste Jogginghose, eine mit Slayer-Logo, vom EMP. Als Javi neulich die Slayer-Hose an mir sah, erblasste er vor Neid: will er auch! Nun gab's hier Dark-Troll-Jogginghosen und da wollte ich unbedingt eine haben. Kanne hatte für mich am Merch eine reservieren lassen, die holte ich dann gleich ab und bekam auch noch Crew-Rabatt dafür
.
Zufrieden widmete ich mich nun mal dem Programm. Naja, ich kannte nicht viele von den Bands dieses Jahr, vom heutigen Lineup nur zwei. Zwei Bands hatte ich zudem heute schon wieder verpasst, denn es ging schon um 13 Uhr los hier oben, da frühstückte ich unten noch chillig.
Vom Nachmittagsprogramm riss mich allenfalls das da richtig weg: Demonical hießen die. Die fetzten voll gut rein, echt geiler Sound, gefiel mir prima und ich moshte richtig fett weg. Meine Haare sind in letzter Zeit richtig gut gewachsen und mittlerweile wirklich echt lang geworden. "Es sieht so geil aus, wie du mit deinen langen, grauen Haaren mosht!" bewunderte ein Mädel, "wie alt bist du denn?" "Äh ... 63." Ey, irgendwie ist doch das nicht wahr, oder? Ich bin doch in nem falschen Film, oder?
Die Beatles sangen damals "...when I'm sixtyfour" und Udo Lindenberg (kennt den noch wer?) coverte den Song in den 70ern und sang: "...wenn ich am Tag nur noch 2 Schnäpse vertrag und nur noch einmal im Monat bumsen mag, wirst du mich lieben, oh, immer noch lieben - wenn ich 64 bin?"
Naja, bin ja noch keine 64, erst 63.
...aber wenn ich mir denk, ey: Als meine Oma 64 war, da war ich schon 14 und sie erschien mir damals so unendlich alt - und irgendwie war sie es auch
. Sie trug beige Schuhe mit Keilabsätzchen und meistens eine "Kleiderschürze", also einen Küchenkittel. Wenn sie fort ging, hatte sie immer einen Hut auf, denn das war in ihrer Jugend - die 1930er-Jahre - so Sitte, dass die Damen Hüte trugen.
Wenn ich mir all das so durch den Kopf gehen lasse, schwelge ich zwischen Narziss und blanken Entsetzen: wie gehe ich denn mit meinem Altweiberdasein um?!
Hugins und Munins flatterten um den alten Turm und die Baumwipfel wiegten sich im ewig scheinenden Wind des Harz'.
Jetzt spielten In Vain, die hörten sich auch ganz nett an.
Dann kam die erste von den beiden Bands, die ich heute (wenigstens vom Namen her) kannte: The Vision Bleak. Schon lange nimmer gehört, war das nicht eine Gothic-Band?
Ja, das war eine Gothic-Band.
Sie waren ja musikalisch nicht schlecht, aber passten halt nicht hier her. Das wussten sie auch und so spielten sie die härtesten Songs aus ihrem ganzen Repertoire. Mei, aber das hier ist halt eine echte Metal-Veranstaltung. Die Leute hier wollen moshen und pogen. Die Band tat mir fast Leid. Wer von der Orga lädt denn auch immer so Bands ein, die nicht ins Programm passen, und wer von den Managern sagen denn da auch noch zu? Arme Band! Nächste Woche spielen sie in Leipzig auf dem WGT, da gehören sie auch hin und da weiß man sie dann hoffentlich auch mehr zu schätzen.
Anschließend kamen Vintersorg. Aber nun fing es leise an zu regnen. Erst nieselte es nur ein bisschen, dann jedoch mehr und mehr. Ich setzte mich mal da hinten auf die Bierbänke, weil die standen unter den hohen Bäumen und die hielten dem Regen noch stand, darunter war's trocken. Aber da ich nun die ganze Zeit auf der Bank saß, wurde ich langsam müde. Eigentlich hätte ich noch gerne Grima gesehen (die zweite Band heute, die ich kannte), die anschließend spielen sollten, aber das miese Wetter machte natürlich keine Stimmung.
Ja mei, da spannte ich mein Schirmchen auf und begab mich auf die heikle Treppe nach unten, gefährlich, bloß nicht ausrutschen! Nun sitze ich im Naglfar und tippe meinen Bericht und draußen regnet es und regnet.
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