Strahlend schönes Wetter war als ich losfuhr. Die Sonne schien, kaum ein Wölkchen am Himmel, aber das täuschte ein wenig, denn es hatte doch nur noch 14 Grad, und nachts sollte es sogar scharf in Richtung Gefrierpunkt gehen. Da kam mir im Knoblauchsland tatsächlich schon die Postkutsche über den Weg gefahren, das Highlight vom Nürnberger Christkindlesmarkt. Na, die macht wohl jetzt schon Generalprobe?
Jetzt würde ich dann mal die Heizung ausprobieren, ich hatte aber wenig Hoffnung, dass sie lief. Drum hatte ich zuhause unter'm Sofa noch eine Daunendecke gefunden, die nahm ich mit. Was da alles bei mir zuhaus rumliegt, wenn man mal sucht…? Ach, wenn ich denn mal Zeit hab und endlich in Rente bin, werde ich den ganzen Krempel auf dem Flohmarkt verkaufen
. Aber erst mal fuhr ich auf die Autobahn.
Die Baustelle auf der A3 macht gute Fortschritte. Wenn ich denk, wie eng, holprig und kriminell die Strecke noch vor 2 Jahren war? Damals hatte ich - besonders da bei einer ganz krassen Stelle an einer Brücke - immer richtig Morus, boah war das eng und dann mit 80 da durch, links und rechts weniger als 50 cm Platz! Die halbfertige A3 fährt sich aber mittlerweile relativ entspannt. Nur auf der Gegenseite war an einer Engstelle ein Unfall passiert und es staute sich dort kilometerweit. Ich fuhr dran vorbei.
Ich kam gut durch. Es war ja eine Kurzstrecke, nur 60 km - nicht wie ich es gewohnt war bis ins tiefe Ossiland, Thüringen, Sachsen... - Geiselwind zählt noch zur Metropolregion Nürnberg: Da war ich schon!
.
Da musste ich gleich Selfies machen
.
Aber mein "Kleinwägelchen" ist auch schön
. Ganz viele Schnaken hat es wieder gefotzt, und eigentlich wollte ich hier in die Autowäsche, aber heute war Feiertag und die LKW-Autowäsche am Autohof war nicht besetzt. Na dann das nächste Mal, in zwei Wochen, da will ich Wind Rose hier sehen und bin wieder da.
Ich lief dann mal los über den Campground und guckte, ob ich jemanden kenne. Da war aber keiner, ist halt eine andere Szene als Thrash und Viking und was ich mir sonst immer so reinzieh. Aber - wen wundert's - da gab's auch fast gar keine Naziphobie, keinen Regenbogenkitsch, keine Einhörner; das tat mir echt mal gut, weil ich hab diese Kindergarten-Mode sowas von über, je öfter ich das seh, desto mehr kotzt es mich an .
Eigentlich wollte ich erst später zu Brunhilde in der Halle aufploppen, aber dann ging ich doch schon jetzt hin. Am Eingang stand eine ewig lange Schlange an, und ich reihte mich ein. Nach 5 Minuten Warten fiel mir aber auf, dass die meisten anderen hier noch gar kein Bändchen hatten. "Ich besetz mal diesen Platz hier" sagte ich zu denen, die hinter mir standen, "und guck mal vor, ob man mit Bändchen woanders rein kommt." "Gib uns Bescheid!" sagten die, weil sie auch schon Bändchen hatten. Tatsächlich wäre ich da vorne mit meinem Bändchen sofort ohne Anstehen reingekommen, aber ich lief nochmal ein Stück zurück und winkte diesen anderen, die hinter mir gestanden hatten. Die liefen dann da hinten auch gleich los nach vorn.
In der Halle spielten gerade Kremer als Opener.
Ich guckte mich erst mal um. Das war alles wieder recht nett gemacht, gefiel mir
. Zwischen den Hallen stand der Tourbus von Willkuer, die verkauften ihren Merch schon gleich im Bus.
Brunhilde hatte ich schon mal im Löwensaal gesehen. Ralf hatte mal Roadie bei Brunhilde gemacht und war mit ihnen mitgefahren zum Bühnenaufbau, daher kenn ich die. Naja, nun ist die Brunhilde auch schon etwas in die Jahre gekommen. Sie könnte 3 Kilo abnehmen und ein bisschen Training machen, dann würd's wieder passen und sie bräucht nicht so ein hohes Miederhöschen anziehen. Bäh, bei mir müssen auch noch 3 Kilo weg bevor die Weihnachtszeit anfängt. Da will ich dann nämlich wieder Dominosteine, Früchtebrot und Lebkuchen fressen, und dafür muss ich jetzt noch Platz machen
.
Ich find Brunhilde eigentlich ganz fetzig. Die Frau ist sehr selbstbewusst und das kommt in ihrer starken Stimme und ihrem energiegeladenen Auftritt auch gut raus. Musikmäßig ist das aber nicht grad mein Stil .
Danach kamen Asenblut, das ist nun schon mehr meins
. Das war hier aber nicht das richtige Publikum, denn außer mir moshten bloß noch zwei andere. In der Deutschrock-Szene mosht man einfach nicht, da pogt man eher. Es ruderte auch keiner mit als Tetzel aufforderte, sich auf den Boden zu setzen und zu rudern. Niemand mochte sich auf den versüfften Boden setzen, über den bereits ordentlich Bier verschüttet wurde und stellenweise richtige Pfützen lagen - nicht mal ich. Ich hatte ja am Wolfszeit schon mein Ruder-Soll für Asenblut erfüllt!
Da verteilte jemand kleine Lämpchen in die Becher. Ich ging gleich hin und kriegte auch ein Lämpchen. Da lief ich rum mit einem blinkenden Bierbecher, ei, das gefiel mir. Manche Leute stopften sich die Lämpchen in die Backen oder in die Ohren und das leuchtete echt durch die Haut, sah toll aus! "Was ist dann, wenn man das verschluckt?" fragte mich einer. "Naja, dann blinkt morgen deine Scheiße aus dem Klo!" lachte ich
.
Hinten in der Halle fand ich dann einen Tisch mit lauter Kärtchen, Büchern und einer Bibel
. Jemand aus der Strohofer-Sippe muss unheimlich christlich-esoterisch sein, denn da geht es fett um Engel. Im Wald ist ja auch ein "Engelpfad" und auf dem Zeltplatz steht eine Skulptur vom Erzengel Michael.
Ich kann mit Engeln nix anfangen, ganz abgesehen vom Satanismus (ich kann auch mit schwarzen Engeln nix anfangen). Ich weiß auch nicht, um was geht's denn da? Wie man auf den Kärtchen lesen kann: "...begleiten, wo auch immer du bist: Er ist bei dir!" Ja und? Was hab ich davon? Gekuschel? Ich hasse es. Ich verstehe es nicht. Ich habe dafür keinen Sinn. Ich hab schon als kleines Kind gelernt als ich beim Zahnarzt war und meine Mama dabei saß und mich zu trösten versuchte: Das nützt gar nix! MIR tut's weh, nicht der Mama. Seit ich denken kann bin ich halt einfach der rational-analytische Typ. Ich kann diesen ganzen Kuschel-Schmonz nicht verstehen (es darf mir aber gern jemand erklären - da unten ist eine Kommentar-Funktion! -, woher das kommt und ob das psychisch auffällig ist, ob man das zwischenmenschliche Sozialgedöns wirklich notwendig hat und welche Therapieansätze es dann gäbe).
Jetzt kamen Willkuer. Sie hörten sich recht gut an, aber ich wartete auf Unantastbar.
Ich hatte Unantastbar schon ewig nimmer gesehen, ich weiß gar nicht mehr, wo und wann es das letzte Mal war. Da hatte der Sänger das Gesicht noch gar nicht so arg zu-tätowiert. Mittlerweile spitzt nur noch die Nase untätowiert heraus, alles andere ist bemalt. Find ich zu viel, aber Geschmackssache.
Bei mir find ich's aber allemal zu wenig: Ich brauche dringend ein paar neue Tattoos! Ich wollte mir doch noch den rechten Arm bemalen lassen. Immer wieder hatte ich andere Sorgen und gar keine Zeit, mich drum zu kümmern. Aber das werd ich jetzt mal angreifen und ein Motiv suchen - wie immer ein Drache oder eine Schlange, oder sollt ich mir auch mal eine Fledermaus gönnen?
Im Publikum wurde gepogt. Ein paar Kerle hatten sich halb-nackig gemacht und schubsten sich rum. Da war dann wieder so ein fetter Brummer drin, an dem alle scheiterten, weil das Gewicht kriegt man doch echt nicht geschubst und überhaupt kommt man in dieser Wabbelmasse ja gar nicht an schubsbare Substanz, die griffigen Widerstand böte. Jede einwirkende Kraft wird vom Fettgewebe absorbiert.
Unantastbar zogen professionell ihren Gig ab. Das kommt immer wieder so echt rüber, was für eine Energie! Das machen die zudem jeden Tag, denn gestern - so erzählten sie - waren sie in München und morgen führen sie schon wieder weiter, glaub nach Leipzig oder wo. Und überall hupft der dann wie ein Springteufel auf die Bühne und singt da voller Kraft seine Songs ohne jeden Fehler. Ich bewundere das. Ich wollte das nicht machen. Ich hätte da schon gar keinen Bock drauf. Zwei Tage - oder mal auch drei bis fünf - ist so ein Event ja echt schön, aber dann hätt ich die Schnauze wieder voll von dem G'werch, den ganzen Besoffenen, den kreischenden Weibern und dem ganzen Geschrei.
Unantastbar gaben dann natürlich eine Zugabe, bestimmt auch noch eine zweite (so kenn ich sie ), aber die hörte ich mir nicht mehr an. Es war Mitternacht und ich ging aus der Halle, so lange noch kein Pulk von rausdrängenden Leuten den Ausgang verstopfte, und lief zum Naglfar, gleich gegenüber.
Die Heizung ging natürlich nicht, hatte ich auch nicht erwartet. So bitterlich kalt war's aber gar nicht. Man sah außen ein wenig den Hauch, also wird es wohl so 5 Grad gehabt haben. Bis es angefangen hätte, mich zu frieren, hatte ich mich bereits ins Plüschnachthemd geschmissen und war in den Schlafsack gekrabbelt mit noch ner Federdecke drüber und dieser Daunendecke, die ich zuhause unter dem Sofa gefunden hatte. Das war fast zu warm, also mit dem Equipment kann's einen gar nicht frieren. Für die Nase, die dann immer echt kalt wird, muss ich mir noch was ausdenken, ich werde mir eine Gesichtsmütze häkeln, die meine Nase warm hält und dann dort nur ein kleines Loch zum Atmen hat .
Ich erinnere mich: Meine Oma hat mir das mal erzählt (wow, ich hätte nie gedacht, wie wichtig diese beiläufigen, lapidaren Stories mal werden würden!), dass es sie nachts immer so an den Ohren frieren würde, und drum hatte sie sich eine Mütze mit Ohrenschützern gestrickt, die sie nachts trug. Und dann hatte sie Angst, dass sie in ihrem Alter ja mal irgendwann nicht mehr aufwachen würde und man sie dann tot im Bett finden würde mit dieser albernen Ohrenschützermütze über dem Kopf . Deswegen schämte sie sich
. Ich dachte mir dann bloß, dass das doch bei allem dann nun wirklich das wenigste Problem sein würde. Ich werde mir "F*CK YOU!" auf meine gehäkelte Gesichtsmütze sticken
.
3 Kommentare:
Ooh, eine offene Frage zu psycholgischen Summs ... ich erklär es mir so:
Wenn Leute sagen "Mir hilft es wenn jemand bei mir ist" - Der homo sapiens mit seiner Affenverwandtschaft ist originär halt ein Sippentier, und damit gibt ihm Gemeinschaft einen positiven Push. Gemeinschaft nimmt ihm Schmerzen nicht, aber mindert sie bei vielen doch ein Stück, und das ist den vielen besser als nix. Sag ich, die starke Einzelgängerin.
"Mir hilft es wenn ein Engel bei mir ist" = "mir hilft es im Leben weiterzumachen wenn ich glaube da ist noch "mehr", Überirdisches, das Leben ist nicht bloß ein großer biologischer-chemischer Zufall."
"Ich kann ihn nicht sehen, aber ich weiß ich hab immer einen Engel zur Seite" - die echten Menschen die man liebt werden einen sehr sicher im Leben enttäuschen und verletzen. Ein imaginärer Freund ist halt immer nur imaginär, aber damit bleibt er auch immer ein Ideal nach den persönlichen idealen Vorstellungen, das einem nie diese Enttäuschungen antut. So in etwa hat mir ausgerechnet ein Mönch den Appeal von Glaube an Gott erklärt.
Ach so, und "ob man das zwischenmenschliche Sozialgedöns wirklich notwendig hat und welche Therapieansätze es dann gäbe": Wenn du Leidensdruck spürst dass du nicht so sozial bist wie die meisten anderen, gibt`s natürlich etliche Gesprächstherapieangebote und Coachings aller Coleur, siehe google. Meine eigene Lösung soweit ist, meine Unabhängigkeit ist meine Superpower. Wenn andere ihr ADHS und ihren Autismus jetzt so bezeichnen dürfen mach ich das auch, pöh.
> ...r homo sapiens mit seiner Affenverwandtschaft ist originär halt ein Sippentier, und damit gibt ihm Gemeinschaft einen positiven Push. Gemeinschaft nim...
So ist es, und darum ist auch der gesamte psychische Organismus des Homo sapiens auf das Gemeinschaftsleben abgestimmt. Es ist wie ein Gemäuer aus lauter aufeinander abgestimmten Einzel-Steinen, und wenn da ein Stein fehlt, verlieren auch die anderen Steine in ihrer Statik.
So ist es bei mir: Ich lebe sehr gerne alleine, ich hab einfach keinen Draht zu tieferen Zwischenmenschlichkeiten oder Familie/Sippe/Bruderschaft, etc. Seit Kindheit an klappte das mit mir und den anderen nicht, in der Jugend scheiterte ich dann an Beziehungen - nach der Verknalltheitsphase kam bei mir nichts mehr, ich machte Schluss, segelte weiter - bis ichs dann schließlich einfach aufgab. Es geht auch nicht nur um Beziehungen Männlein-Weiblein, sondern ich hab auch keine tieferen, ernsthaften Freundschaften, kein (eigenes) Kind war mir wichtiger als ich selbst, von niemandem mag ich mich einschränken lassen.
Aber ich merke: Ich "laufe nicht rund".
Ich erkläre mir das durch das Fehlen des 1 Steins, das das gesamte Mauerwerk belastet. Ich mag aber diesen Stein nicht einsetzen, denn er würde mir so viel an Lebensqualität kosten, alles so kompliziert machen, und letztendlich hab ich tatsächlich auch einfach den Sinn nicht, d.h. ich kann's nicht, ich krieg's einfach nicht hin, selbst wenn ich mich (zwangsläufig) bemühte, mir fehlen anscheinend "die Hormone", das ganze Ding triggert mich nicht wirklich.
Einen gewissen Konflikt mit dem Rest meines psychischen Gesamtorganismus nehme ich wahr und daraus entsteht auch ein Leidensdruck. Der schlägt allerdings nicht so sehr zu Buche, als dass er den hohen Preis einer sozialen Bindung wert wäre - und, erfahrungsgemäß...: ich kann es ja eh nicht, ich müsst mich dazu zwingen, das wird nix.
Aber ich laufe eben nicht rund.
P.S.: ich habs auch mit den "Imaginären" probiert, aber ich kriegs auch da nicht hin. Die Persönlichkeit des (imaginären) Gegenübers interessiert mich einfach nicht, mir geht es nur um den Effekt für MICH - so läuft das aber nicht. Ich merk selber: Ich mache das falsch, aber anders krieg ichs nicht hin, und wills ja auch gar nicht wirklich, gar keinen Bock drauf. Ich will mir ja nur den Effekt erkaufen, für MICH, aber nicht mit "echtem Geld" bezahlen.
Auch eine Beziehung mit einem Imaginären läuft nach den "Regeln für sozialen Beziehungen", sonst läuft sie nicht rund ;-)
Auch wenn der Imaginäre zur Verfügung steht, aber ICH schaffe meinen Einsatz nicht, und so klappt's halt einfach nicht.
> Unabhängigkeit ist meine Superpower
:-D Da bin ich ganz bei dir!! :-)
Ich bedanke mich herzlich für deinen Kommi.
Kommentar veröffentlichen