Samstag, 15. November 2025

Tankard, Würzburg

Letzte Woche am Freitag fuhr ich nach Neumarkt mit meinem kleinen Auto, dem Röhrle. Das Röhrle ist schon etwas in die Jahre gekommen und mit ihm sein fest eingebautes Navi mit einem Softwarestand von 1985 oder so , den man dringend erneuern müsste. Das kostet aber ne Menge Geld und lohnt sich echt nicht, weil im Allgemeinen fahr ich mit dem Röhrle eh nur in Nürnberg rum, und da kenn ich mich auch ohne Navi aus.

Mit dem ganzen fürchterlichen Autobahngewirr im Nürnberger Süden wollte ich mich aber nicht anlegen und schaltete mal das Röhrle-Navi an. Da kriegt man dann so Ansagen wie: "Ausfahrt vor Ihnen." Das kann dann erst in 2 km sein oder gleich die da jetzt, an der ich schon fast vorbei bin. "Fahren Sie rechts, und dann ... fahren Sie rechts, halten Sie sich links." Aha, hä: wohin? ....und *schwupps* schon hatte ich die richtige Einfahrt verpasst. Es blieb mir nix anderes übrig als halt dann die A6 eine Weile in der falschen Richtung weiter zu fahren. Nächste Ausfahrt also runter, einmal um die Autobahn herumgefahren und auf der anderen Seite wieder drauf. Schon hieß es wieder "Ausfahrt vor Ihnen", ich bog auch ab, reihte mich auf der A3 in den Verkehr ein und war so damit beschäftigt zu gucken, ob ich jetzt endlich die richtige Spur gefunden hatte, dass ich ein vermutlich dort stehendes Speedlimit-Schild gar nicht bemerkte. Ich war mir keinerlei Geschwindigkeitsbegrenzung bewusst und zockelte gemütlich mit 120 auf der rechten Spur der Autobahn herum - als es blitzte .

Seitdem hab ich die Krise. Ich hab sogar schon den psychiatrischen Notdienst angerufen, weil ich komm echt nimmer runter . Ich weiß nämlich gar nicht, wie viel ich hätte fahren dürfen, nehme aber an, es waren sicherlich nur 80, weil sonst blitzen's ja net. Als ich erschrocken war und auf den Tacho schaute, hatte ich natürlich auch schon gleich ganz automatisch den Fuß auf der Bremse und sah die Nadel noch von 120 runter sinken. Keine Ahnung, wieviel ich gefahren war, ob über oder noch unter 120? Darauf kommts jetzt an, denn bis 40 km/h zu viel gibt's außerorts noch "nur" eine saftige Geldstrafe, ab 41 km/h gibt es ein vierwöchiges Fahrverbot - und dieses träfe mich nun allerbitterst bis ins Mark, wirklich .

Zum Glück geht es gerade in den Winter rein. Ich hoffe doch, dass der Bußgeldbescheid recht schnell kommt, weil er ja ordentlich saftig ist, und da sie gescheit kassieren können, werden sie auch schnell reagieren, hoffe ich. Wenn der Bußgeldbescheid kommt und tatsächlich ein Fahrverbot drin ist, hab ich zum Glück im Unglück die Wintermonate zur Verfügung, wo eh nicht viel Events sind und das Meiste sowieso nur in Nürnberg läuft und mit den Öffis erreichbar ist.

Innerhalb von 3 Monaten muss der Bescheid kommen, sonst gilt er als "verjährt". Bis spätestens 07.02.26 muss er also da sein. Dann hätt ich grad noch bis in den März Zeit, das Fahrverbot zu "nutzen", weil ab April geht schon wieder die Festival-Saison los! Ich krieg die totale Krise! Das trifft jetzt direkt meinen Nerv, weil Festivals mit Naglfar den Kern meines Lebensinhalts darstellen, mit dem ich natürlich alles mögliche verdränge, z.B. das Altsein, mit dem ich nicht zurecht komm, und außerdem für mich auch Selbst-Identifikation und Metal-Status bedeutet, zudem reißt diese Blitzer-Geschichte nun auch noch ein paar alte Traumata auf und so drehe ich grad komplett am Rädle. Ja, es wären ja nur 4 Wochen, die gehen doch auch vorbei, aber ich komm echt nicht drüber .

Allemal komm ich grad vom Kopfkino nicht mehr runter und denke ununterbrochen drüber nach, was wohl kommen wird und wenn es so ist, dann mach ich es so&so, wenn es aber so&so ist, dann mach ich dies&das - und überhaupt rotieren meine Gedanken mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit. Das belastet mich wirklich arg, wirklich echt arg.

Gedankenstopp! *auf den Tisch hau*
Schnell aufs nächste Konzert und alles verdrängen!

Erst mal fuhr ich auf Tanken. Dann fuhr ich weiter auf Tankard, die spielten am Freitag in der Posthalle Würzburg.

Weil ich nun als traumatisiertes Blitzeropfer vor lauter Verzweiflung nur noch Strich 50 fahre bzw. genau die vorgeschriebene Geschwindigkeit und keinen km drüber, am besten gar nicht erst schneller als 80, weil dann kann nix passieren - hatte ich für die Fahrt 3 Stunden Zeit eingeplant . Alle überholen mich und dann gucken sie im Vorbeiziehen böse rüber, Mensch, das ist sooo peinlich! An keiner Ampel komm ich mehr durch, weil wenn ich endlich auch angezockelt komm, wirds immer grad Rot. Erboste LKW-Fahrer überholen mich auf der Autobahn sogar in den Baustellenabschnitten bei strengem LKW-Überholverbot, weil sie mein Geschleiche nicht mehr aushalten. Es tut mir Leid, es tut mir sooo Leid! Ich schäm mich, dass ich beim Überholtwerden manchmal wirklich die Hand ans Gesicht halte, damit man mich nicht sieht.

In der Stadt fiel mein Geschleiche dann nicht so auf, weil es war sowieso überall Stau. Am Bahnhof von Würzburg war auch noch eine Demo, da hatte der FFF-Kindergarten wieder Betriebsausflug. "Die Erde weint" stand auf einem Plakat. Schon mal was von "heul leise!" gehört, du Schnuller?! Naja, meine Toleranzschwelle ist momentan ziemlich im Keller und mir platzt bei jeder Gelegenheit der Kragen.

Ein paar Meter weiter hatte ich dann das Kontrastprogramm: den WoMo-Stellplatz an der Friedensbrücke. Tolle Autos standen da wieder, wie immer. Manch ein Passant blieb oben auf der Brücke stehen und guckte fasziniert runter auf den Parkplatz: Da standen Autos im Wert von gut einer Million rum, wenn nicht zwei. Ein Morelo stand quer, ein anderes 8-Meter-WoMo hatte alle Türen offen, die Stiefel davor gestellt und der Hund saß davor und passte auf, so ein heimeliges Feeling, der Inbegriff von mobile-Home, sooo schön .

An den Stromsäulen waren sogar noch Plätze frei und ich hätte mich mit meinem 25-Meter-Kabel hinhängen können. Doch es war gar nicht kalt und ich machte die Heizung - die jetzt übrigens wieder geht, die Werkstatt hat sie wieder auf Default gesetzt - gar nicht an. Hinter dem Platz verläuft der Main und da cruisen die Viking-Schiffe vorbei.

Ich war viel zu früh dran! Ich wollte aber sowieso noch was essen und auch in die Stadt zu Media Markt, denn da war heute Black week oder Black friday oder so, und es gab jede Menge extra Sonderangebote.

Die online-"Lauschangriffe" werden immer schlimmer! Da gibt man auf google nur mal kurz "Bußgeldkatalog?" ein und schon bekommt man allerlei Werbung und Angebote zu Blitzerwarngeräten . Ui, ich hatte noch gar nicht gewusst, dass es sowas gibt?! Also lief ich in Würzburg dann gleich mal in die Stadt zu Media Markt und kaufte dieses Blitzer-Teil. Meine Seele muss irgendwie wieder zur Ruhe finden!

 

Ich shoppte noch ein bisschen weiter und lief dann zurück ins mobile-Nobelviertel zum Naglfar, das geshoppte Zeug ins Auto bringen. Dann gleich wieder weiter, ich nahm für die Strecke vom Parkplatz zur Posthalle einen voi-Roller. Torsten und Töchter saßen schon im Biergarten und hatten auf mich gewartet.

Da hatte ich in so ner Metal-Gruppe auf Facebook geschrieben, dass ich heut in der Posthalle bei Tankard sein werde und falls noch jemand aus der Gruppe käme: man erkennt mich an meinem Blink-Bier. Was ist denn ein Blink-Bier? Tatsächlich kam dann einer her als ich am Tresen stand und ein neues Blink-Bier bestellte, der wusste da sofort, was gemeint ist: meine blinkenden Lämpchen im Bier. Torsten und Töchter waren begeistert von den Lämpchen, und da blinkten wir also im Saal herum. Wenn irgendwo jemand blinkte, dann war es einer aus unserer Clique .

Ich guckte auch gleich mal an den Merch. Tankard hatten noch die guten, alten Preise: 25 € für ein Shirt, 4 € für ein Patch, ich schlug sofort zu! Nur die Becher waren teuer: 5 €, aber auch da kaufte ich einen, weil er gar so schön war.

Die Vorband hieß Zerre. Wie Gerre, nur mit Z. Hatte ich noch nie gehört, aber die spielten richtig schönen 80er-Heavy, gefiel mir. Sie passten allemal sehr gut zu Tankard. Es war schon bei Zerre dann eine richtig gute Stimmung.

Bei Tankard war es aber dann so derartig lustig! Es gab eiiiin Gemoshe und Gehupfe. Für den Augenblick konnte ich alles vergessen, nur noch moshen und feiern! Im Publikum waren auch ein paar echt gute Partyleute und alsbald gabs natürlich einen Moshpit. Torsten und ich standen in der ersten Reihe und da wurden wir auch schon getroffen von einem, der so einen heftigen Schlag eingefangen hatte, dass er auf uns zu torkelte, den Torsten und mich mit umriss und wir flogen alle in die Leute, konnten uns nicht mehr fangen. Ich ruderte noch mit den Armen, bekam im Fallen auch irgendeinen Menschen zu fassen, konnte mich aber nicht halten, Torsten fiel über mich drüber und gemeinsam gingen wir alle zu Boden. Mindestens 10 Hände halfen uns sofort wieder auf und stellten uns wieder auf die Füße. Ach, ist das schön im Metal! Passiert war nix, herrlich, einfach bloß lustig.

Es war wirklich ein außerordentlich gutes Konzi, so eine tolle Stimmung, hat mir prima gefallen.

Seltsamerweise war ich am Ende noch gar nicht arg müde! Irgendeiner von den einheimischen Kumpels nannte uns eine Location namens Laby, das sei eine Metal-Disco, äh, "Club" nennt man das ja jetzt, also ein Metal-Club . Da liefen wir also alle zu diesem Laby, das lag in einer Seitenstraße nach dem Kreisverkehr.

Wann war ich das letzte Mal in einer Disse, äh, einem "Club"? Schon ewig her, denn in unserem versifften und runtergeranzten Nürnberg gibts ja nix mehr, außer das Brown Sugar. Es ist ja nun Würzburg nicht grad eine Weltstadt, aber trotzdem hängt es Nürnberg an Szene komplett ab, traurig .

Da waren wir also in diesem Laby. Sie spielten vorwiegend Metal-Core und Crunch, was mir ja normalerweise nicht gefällt, aber trotzdem schmiss ich mich auf die Tanzfläche und fing an zu tanzen. Ich hab schon echt ein geiles Feeling für Musik, denn obwohl ich keinen einzigen von den Songs kannte, fühlte ich genau den Einsatz, jetzt krachts gleich, kraaa und schüttel, langsamer, und jetzt gehts gleich wieder los, ja, baaammmm *mosh mosh mosh*. Tanzen war - oder wäre auch immer noch - mein Element. Aber leider gibt es in Nürnberg oder Fürth ja nicht mal 1 Metal-Club. Da muss man nach Würzburg fahren, wenn man tanzen will .

"Wow, die junge Alte" staunte der Torsten als ich zwischenrein mal an die Theke ging und eine Cola holte. "Du hast mich nicht gekannt, als ich jung war" sagte ich wehmütig. Damals tanzte ich im Groovy und Quattro den ganzen Abend, ununterbrochen, und das jeden Tag bis Ende. Gleich tanzte ich wieder weiter und tanzte und tanzte. Ich bin jetzt Mitte 60, aber ich geh bei der richtigen Mukke immer noch ab wie eine Prise Speed, und da tut mir auch nix weh, keine Atemnot, ich schwitz nicht mal schlimm, da schalte ich den Körper um auf "Tanzmodus" und zisch nur noch ab! So war das schon immer.

Es war schon halbzwei als ich mal auf die Idee kam, vielleicht heim zu gehen? Die anderen blieben noch im Laby. Ich machte mich auf und lief zu Fuß zur Friedensbrücke. Der Weg zog sich ganz schön hin. Für einen Moment erwog ich schon, ein Taxi zu nehmen, aber lief dann doch lieber weiter. Da stand ich endlich oben und guckte runter auf den WoMo-Platz: wie wunder-wunderschön!

Es war gar nicht kalt, ich brauchte gar keine Heizung. Ich putzte mir die Zähne und ging ins Bett. Da schlief ich selig ein. Zum ersten Mal seit letzter Woche konnte ich wieder schlafen. Ich schlief richtig gut, obwohl ich jetzt als ich im Bett lag meine Knochen ganz schön spürte, hui, mein Rücken tat weh vom Moshen, den Kopf wusste ich nicht, wie ich ihn drehen sollte, weil in jeder Position zwickte die Halswirbelsäule. Aber das war auch vor 40 Jahren schon so, und da gibt's eigentlich nur eins: gleich wieder am nächsten Tag weitermoshen!

Ich schlief außerordentlich gut. In der Nacht wurde ich nur einmal wach, lüftete leicht den Vorhang, ach, es war doch schon Tag, es war schon hell, und auf dem Main fuhr so ein Cruisingschiff mit Gerumpel durch. Ich drehte mich um, schlief weiter. Als ich schließlich wach wurde, guckte ich auf den Wecker: Was? 2 Uhr? Ist der kaputt? Ich krabbelte aus dem Bett, guckte aufs Armaturenbrett auf die Uhr: Tatsächlich schon zwei durch! Boah, so lang hab ich geschlafen? Naja, da zog ich mich an und fuhr gemütlich mit 80 nach Nürnberg zurück. Super-schön war's!